Die Rolltreppen stehen schon lange still. Im Jahr 2004 hat die Stadt beschlossen, dass eine Instandsetzung zu teuer wäre und man die Neugestaltung des Ebertplatzes abwarten wolle. Nun sollen sie im Rahmen des Zwischennutzungskonzepts INTERIM Ebertplatz bis 2021 auf andere Art wieder ins Rollen gebracht werden: Mit einer Ausschreibung hat sich die Stadt im Mai an Künstler, Designer, Kuratoren und Architekten gewandt, um aus den alten Verbindungen zwischen Ober- und Untergrund unterschiedliche Kunstwerke entstehen zu lassen. Nun stehen die acht Gewinnerentwürfe fest.
„Die vielen Einreichungen zeigen, wie groß das Interesse ist, diesen Platz lebenswert zu gestalten“, sagt Kulturamtsleiterin Barbara Foerster bei der Präsentation am Dienstag. Insgesamt gingen 53 Entwürfe ein, auch internationale Bewerbungen wie etwa aus Frankreich, Norwegen und England beschäftigten die Jury aus Vertretern aus der Künstlerszene, Stadt und Kulturamt. „Klar war, dass wir über Künstler hinaus auch Architekten, Designer und freie Kollektive ansprechen wollten, sich bei der Ausschreibung zu bewerben“, so Nadine Müseler vom Kulturamt. Am Ende musste sich die Jury für acht der Entwürfe entscheiden, die zum Teil abwechselnd die sechs Rolltreppen am Ebertplatz verwandeln sollen.
„Uns war es wichtig, dass es unterschiedliche Konzepte gibt“, erklärt Jurymitglied Wolfgang Micheel-Fischer. „Nun haben wir einige Skulpturen, die genutzt werden können, und andere, die ausschließlich Kunstobjekt sind.“ Der Entwurf „Barren“ etwa von Martin Kaltwasser und Iren Tonoian soll tatsächlich auch als Sportgerät genutzt werden können. „Wir hoffen, dass Turnvereine aus ganz Köln hier auch Parcours zeigen“, so Künstlerin Tonoian. Aber auch der Entwurf „Silver Surfer“ vom Berliner Künstlernetzwerk ON/OFF kann interaktiv genutzt werden: Auf der ehemaligen Rolltreppe können bald Kinder und Erwachsene runterrutschen. Nadine Müseler : „ Es gab insgesamt acht Entwürfe, die ein Konzept als Rutsche vorsahen. Als Spielergänzung zum Brunnen passt es gut zum Platz. Die Stadt wird nun die genauen Sicherheitsvorkehrungen prüfen.“
Die Skulptur „Perspektive“ von Vera Drebusch und Evamaria Schaller hingegen wird nicht begehbar sein. Die Fläche der Rolltreppe wird in verschiedenen Winkeln verspiegelt. „Wer an der Skulptur Vandalismus begeht, wird sich dabei selbst ansehen müssen“, so Drebusch. Außerdem spiegeln die Flächen die Architektur des Ebertplatzes in den Untergrund. „Wenn die Skulptur steht, sollen hier auch Workshops zu Reflexion und Körper stattfinden.“ Auch die Skulptur „Ohne Titel“ ist kein Klettergerüst, dafür aber ein optisches Spektakel. Mit LED-Streifen versehen, wird die ehemalige Rolltreppe in bunten Farben leuchten. „In Anlehnung an den Ruf nach Kontrolle und Überwachung steht unsere Skulptur als Scanner“, so Künstler Claus Daniel Hermann. „Wer davor steht wird von der Treppe ‚gescannt‘, die leuchtet und Sound macht.“
An Materialien findet sich allerlei – von Holz über Neopren bis hin zu Metall. Allen Entwürfen gemein ist jedoch, dass sie Hell ins Dunkel bringen und die Perspektive auf den Ebertplatz ändern wollen. „Das Ziel dieses Kunstprojekts soll es vor allem sein, das negative Image abzuschaffen“, erklärt Micheel-Fischer. Was 1977 mit der Einweihung der „Wasserkinetischen Plastik“ als Platz der Begegnung und der Kunst gestartet hat, soll nun wieder dahin zurückfinden.
„Viele der Künstler kommen aus der Region, sie kennen die Infrastruktur hier und wissen, was möglich ist. Sie kennen den Ebertplatz und haben ein Gefühl dafür, was hier fehlt“, so Micheel-Fischer. Die Motivation, an der Ausschreibung teilzunehmen, ist für viele der Künstler also auch persönlicher Natur, darunter Fotograf Jan Rothstein, der am Projekt „Polemoskop“ (mit Matthias Hoffmann, Tim Panzer und Wiebke Schlüter) beteiligt war. Er wohnt seit fünfzehn Jahren direkt am Ebertplatz: „Ich laufe hier jeden Tag vorbei und habe mich in der Verantwortung gesehen etwas beizusteuern.“ Seit der Brunnen in Betrieb ist, sehe er, dass das Beste, was dem Platz passieren könne, die Leute sind, die ihn besuchen und nutzen. „Es ist doch wahnsinnig schade: Wir haben eine riesige Nutzfläche mitten in der Stadt, die aber aufgrund des schlechten Images gemieden wird“, so Rothstein.
Im Entwurf sieht der Betrachter von unten durch einen oben angebrachten Spiegel einen Stück Kölner Himmel: „Da die technische Verbindung von Unter- und Obergrund nicht mehr möglich ist, wollten wir eine optische Verbindung kreieren.“ Im Gegensatz zu anderen Vorschlägen, die auch begangen und genutzt werden können, geht es im „Polemoskop“ eher um ein poetisches Ereignis. „Die Stadt ist ein lauter, eiliger Ort, wo die Leute schnell von A nach B kommen wollen. Bei unserer Skulptur haben die Leute die Möglichkeit einmal innezuhalten, zu betrachten, ihren Blick führen zu lassen. Nicht alles, was öffentlich irgendwo steht, muss eine praktische Funktion haben“, sagt Rothstein. Der Ebertplatz sollte vielmehr so genutzt werden, wie es der eröffnete Brunnen diesen Sommer schon gezeigt hat: als Treffpunkt, Spielplatz, Ort zum Verweilen. „Köln hat diese Fläche und ich fände es sehr schade, wenn nach dem Sommer mit dem Abschalten des Brunnens alles wieder implodiert“, so Rothstein. Er hofft, dass sich die Ästhetik der Skulpturen auf das Image des Ebertplatzes überträgt.
Nach und nach installiert, werden die Kunstobjekte 6 bis 24 Monate stehen. „Wir hoffen, dass wir im Oktober schon die ersten beiden verwandelten Rolltreppen dem Publikum präsentieren können“, so Nadine Müseler. Für die einzelnen Skulpturen steht ein Budget von 12.000 € zur Verfügung. „Wir haben pro Jahr 50.000 € für dieses Projekt. Das heißt bis Ende diesen Jahres könnten schon drei der Rolltreppen realisiert werden.“
Wer sich vor Ort ein Bild machen möchte, findet auf dem Ebertplatz die ausgehängten Entwürfe.
Info: www.unser-ebertplatz.de
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