choices: Frau Fürhaupter, Sie sind die Geschäftsführerin der Tafel Köln und haben jüngst mittels verschiedener Medien darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Organisation ehrenamtliche Helfer:innen sucht. Wie kam es dazu?
Karin Fürhaupter: Ich habe mich an die Presse gewandt, weil in den letzten Monaten zwar viel über die Tafel berichtet wurde, aber dabei ging es vor allem um die Auswirkungen der steigenden Inflation und verringerte Lebensmittelspenden. Keiner schreibt mal darüber, wer denn eigentlich die Arbeit macht. Wer kümmert sich denn um die Fahrten? Wo kommen denn die Ehreamtler her, die die Tafel-Arbeit bewerkstelligen sollen. Wir brauchen dringen Helfer und deswegen nun mein Aufruf, denn wir sind völlig ausgelastet.
Handelt es sich um Problem, das sich nun zugespitz hat oder ist es eine permanente Herausforderung, Ehrenamtler:innen zu finden?
Das ist eigentlich immer ein Thema. Die Gründe sind verschiedene. Wir also Kölner Tafel haben uns immer ausgeweitet und versucht, Lebensmittelausgabestellen in möglichst vielen Stadtteilen anzubieten. Gerade hat eine neue in Kalk eröffnet, in Deutz wird eine eröffnen und zudem fragen fortlaufend Jugendhilfeeinrichtungen unsere Unterstützung an. Die Entwicklung gab‘s schon immer: Tafel wurde immer größer. Deswegen brauchen wir immer mehr Leute. Dazu kommt noch, dass die Nachfrage in den Ausgabestellen gestiegen ist, so dass inzwischen auch Nachlieferungen angefragt werden, die natürlich auch organisiert werden müssen und Helfer erfordern. Die Touren werden immer länger und das kann langsam kein Ehrenamtler mehr leisten.
Verschärft sich die Entwicklung denn noch zusätzlich, weil Helfer:innen aufgrund des hohen Pensums überlastet sind und dann irgendwann abspringen?
Nein, das kann ich nicht feststellen. Manchmal scheidet jemand aus, der die körperlich schwere Arbeit nicht mehr bewerkstelligen kann. Die meisten unserer Ehrenamtler bleiben am Ball. Den größten Anteil stellen dabei Menschen dar, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind. Wer nur vorübergehend bei uns ist, sind Menschen, die etwa eine Lücke zwischen zwei Arbeitstellen überbrücken wollen oder bis sie ein Studium beginnen. Aber die sind natürlich auch immer herzlich willkommen.
Wie verfahren Sie mit dieser Situation? Kam es durch den personellen Engpass schon einmal dazu, dass Ausgabestellen nicht beliefert werden können?
Nein, das geht nicht. Und zwar aus mehreren Gründen. Wir haben feste Verabredungen mit dem Spender und wenn man bei einem Supermarkt einfach nicht auftaucht, dann sucht er sich andere Abholer, wie zum Beispiel Foodsharing. Wir müssen also absolute Zuverlässigkeit zeigen, natürlich auch den Menschen gegenüber, die auf die Ausgabestellen angewiesen sind. In der Regel machen wir das also irgendwie möglich, indem wir Helfer fragen, die eigentlich an dem Tag frei hätten und dann einspringen. Und heute zum Beispiel habe ich Jemanden aus dem Büro abgezogen, aber der fehlt uns natürlich dann dort. Man versucht sich durchzuhangeln, aber das ist nicht über einen langen Zeitraum aufrecht zu erhalten, man kann das nicht auf dem Rücken der Ehrenamtler austragen.
Haben Sie Wünsche an die Politik, die Ihre Arbeit unterstützen würden?
Politisch werde ich nicht, dafür gibt es den Verband Tafel Deutschland in Berlin, der Forderungen stellt und entsprechende Verbindungen hat. Die Aufgabe, die wir uns selbst als Kölner Tafel gesetzt haben, ist eine andere. Wir sind ja keine installierte Organisation, sondern haben uns freiwillig gegründet, weil wir uns gesagt haben: Es werden Lebensmittel weggeworfen und das darf nicht sein, während es auf der anderen Seite Menschen gibt, die wir mit diesen Lebensmitteln entlasten. Wir sind nicht angetreten, eine Versorgung von Menschen zu bewerkstelligen, weil andere Systeme versagen.
Für welche Aufgabenbereiche suchen Sie ganz konkret Ehrenamtler:innen?
Wir haben drei verschiedene Aufgabenbereiche, für die wir Helfer suchen. Der erste ist der Lieferdienst mit den Tafel-Transportern. Da beladen die Kollegen ab 7:45 Uhr die Fahrzeuge, sammeln anschließend bei verschiedenen Supermärkten weitere Lebensmittelspenden ein und bringen sie dann zu den Ausgabestellen, Jugendeinrichtungen und Einrichtungen für Frauen. Beendet ist die Tätigkeit dann, je nach Länge der Tour, so um 15 Uhr. Der zweite Bereich sind die Ausgabestellen, da geht die Arbeitszeit etwa von 10.30 bis 17 Uhr. Dort werden die Lebensmittel entgegengenommen, sortiert und verteilt. Und dann suchen wir noch Leute, die unser Lastenfahrrad fahren möchten. Damit beliefern wir Menschen, die nicht zu einer Ausgabestelle gehen können, direkt zu Hause. Das machen wir drei Mal in der Woche mit unserem elektrisch unterstützen Lastenfahrrad und einem Begleitfahrradfahrer. Die Strecke beträgt circa 35 Kilometer – da muss man also fit sein.
Und wie bewirbt man sich als Helfer:in?
Das geht entweder telefonisch oder per E-Mail. Als nächstes machen wir dann hier vor Ort ein Informationsgespräch mit mehreren Interessenten, das dauert etwa zwanzig Minuten, und dann gibt es noch eine kurze Einführungen durch einen Kollegen, der den Umgang mit dem Tourenplan auf dem Tablet erklärt. Und dann spricht man nochmal miteinander und wenn es passt, vereinbaren wir einen ersten Termin.
Tafel Köln e.V. | Kirschbaumweg 18a, 50996 Köln | 0221 35 10 00 | www.koelner-tafel.de
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