„Wir haben keine Angst.“ Diesen Slogan kann man seit einigen Monaten auf vielen Litfaßsäulen in Köln lesen, in großen, schwarzen Buchstaben, darunter ist eine Telefonnummer abgebildet. Wer die Nummer wählt, hat die Möglichkeit, sich freiwillig selbst dem Überwachungsnetzwerk der NSA hinzuzufügen: die Nummer gehört zu einem Telefon, mit dem der Künstler Christian Sievers einen der bekanntesten US-amerikanischen Whistleblower, William Binney, angerufen hat. Binney und Snowden, beide ehemalige NSA-Mitarbeiter, sind so etwas wie die Märtyrer unserer modernen Mediengesellschaft. Sie decken die Mechanismen und Konsequenzen der staatlichen Überwachung auf und zahlen dafür den hohen Preis der Freiheit.
Mit Einschränkungen der Freiheit und medialer Kontrolle setzt sich auch die Ausstellung „Global Control and Censorship“ des Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (ZKM) auseinander. Ihr Kurator Bernhard Serexhe sprach am 20.1. an der Kunsthochschule für Medien (KHM) und stellte einzelne Aspekte der Ausstellung vor: Der schwarze Monolith des chinesischen Künstlers Xu Wenkai, der auf einer Papierrolle am laufenden Band Internetadressen ausdruckt, die in China gesperrt wurden. Ein gläserner Beichtstuhl, der als Symbol für die Offenlegung all unser Geheimnisse an eine höhere, allwissende Macht verstanden werden kann. Beeindruckend ist auch ein eigens für Edward Snowden eingerichteter Arbeitsraum, der durch seine Nichtbenutzung an das unfreiwillige Exil des amerikanischen Whistleblowers erinnert. Die Zusammenarbeit mit dem Chaos Computer Club brachte der Ausstellung einen PC ein, der den Besuchern die letzten Kontakte und Standorte ihres Smartphones anzeigt. So haben die in der Ausstellung vertretenen Künstler viele Wege gefunden, das Internet und die neuen Medien und Kommunikationswege als kontrollierbare Elemente darzustellen. Die Tage, in denen das Internet als unstrukturiertes und vermeintlich anarchisches System funktionierte, seien vorbei, so Serexhe.
Der Kurator stellt fest, dass die ständige Kontrolle durch staatliche, wie auch private Organe mittlerweile von Menschen überall auf der Welt als etwas grundsätzliches und selbstverständliches hingenommen werde, genauso wie beispielsweise steigende Benzinpreise, Umweltverschmutzung oder die Allgegenwart der Werbung. Wir seien auf dem besten Weg zu einer „smarten, aber totalitären Gesellschaft zu werden, die in einem perfekten System versteckt ist, in dem alle zufrieden sind.“ Eine Eingrenzung der Überwachung durch die Politik sehe er nicht, daher müsse jeder Einzelne versuchen, seinen Medienkonsum einzuschränken. Denn eines ist klar: Durch die gesteigerte Nutzung von Messenger-Diensten und Social Media Kanälen liefern wir uns der Kontrolle immer mehr selbst aus. Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass Sie diesen Artikel womöglich über Facebook gefunden haben.
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