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„Brain and Beauty"
Foto: David Baltzer

Bildhauerei am lebenden Objekt

30. April 2014

Angela Richter inszeniert in Köln „Brain and Beauty" – Theater am Rhein 05/14

Wenn der halbe Apfel die Tagesration Lebensmittel ersetzt, dann ist die Schönheit des Körpers nicht weit, je nachdem aus welchem Blickwinkel man ihn bestaunt und welche rosa Brille man gerade trägt. Angela Richter inszeniert in Köln wieder einmal ein Rechercheprojekt. Nach „Kippenberger" und „Assange" ist es nun der internationale Schönheitwahn, der sie treibt, ohne direkte Ansprechperson, aber zeitgenössisch zeitgenössisch, was sonst. Das Thema ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit, nur ging es in frühen Tagen wohl mehr um Evolution und nicht so sehr um Titelbilder. Der Machismo hat sich dabei kontinuierlich gehalten, nur die Weibchen pendeln je nach aktueller Idealvorstellung zwischen Rubens und Twiggy, zwischen Törtchen und Magerquark.

Auf der Bühne wird zu Beginn die Zeit gefroren, ein Standbild aus Schauspielern, Statisten und Schaufensterpuppen, lange muss der Zuschauer warten, bis hier und da Bewegung in die Figuren kommt, dann geht es los mit der ersten Geschichte über Bulimie, die im Koma eine weiße Fläche im Kopf erzeugt und das Sein an sich neu beschreibt. Innere Schönheit erzeugt sie nicht, über die äußere kann man streiten. Zwei Schönheitschirurgen erklären derweil ihr Handwerk zwischen Skalpell und neurotoxischen Proteinen und erklären, dass auch wunderschöne Menschen hässlich sein können. Immer wieder frieren die Figuren auf der Bühne ein, wenn einer der Protagonisten neue Fakten und Befindlichkeiten verbreitet. Eine Handlung hat dieses Stück nicht, eine Geschichte auch nicht, stellen sie sich vor: illustriertes Wikipedia mit etwas Choreografie. Klar, die Regisseurin hat weltweit Schönheitschirurgen und Patienten interviewt, aus den Recherchen entstand der 90-Minuten-Theaterabend in der Halle Kalk, und die dramaturgischen Laufanweisungen sind auch nicht ohne.

Die Frage, ob Schönheits-OPs tatsächlich auch Kunst am eigenen Körper sind, wurde glücklicherweise nicht beantwortet, denn es gibt diese Kunstform bereits. Die französische Künstlerin Orlan (Mireille Suzanne Francette Porte) setzt seit 1978 den eigenen Körper als Material ein, nutzt plastische Chirurgie als Werkzeug für ihr Gesicht. Carnal Art heißt das von ihr begründete Genre; eigentlich produziert sie fortlaufend frisch geschnippelte Selbstportraits, aber davon spricht „Brain and Beauty" eben nicht. Hier geht es eher um die Promis, die ihre Jugend erhalten wollen, ob in Düsseldorf oder Los Angeles, und eigentlich sollte einem dieses Procedere am Arsch vorbeigehen, wenn der nicht gerade in Südafrika mit etwas Silikon gepimpt wurde und nur noch zum Stehen taugt. Diese Ironie kommt hier definitiv zu kurz. Ein paar Liedeinschübe mit ChristinaAguileras „Beautiful" oder „Body Is Boss" von 2Raumwohnung reichen mir da bei weitem nicht. Ein Hüft-Taillenverhältnis von Punkt 6 mag ja die Partnerwahl beeinflussen, aber sicher nicht die Beziehungsdauer, und wen die moppeligen Geschichten über plastische Chirurgen-Ethik oder die Zukunft der Branche langweilen, der klatscht in Köln auch gerne mal peinlich in eine längere Regieanweisungs-Pause. „Have a nice day" und „Smile" – wenn du nach der OP noch kannst.

„Brain and Beauty" | 4.5., 6.5., 8.5., 11.5., 13.5., 14.5., 16.5., 20.5., 22.5., 23.5. 19:30 Uhr | Halle Kalk | 0221 22 12 84 00

PETER ORTMANN

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