Schon bald ist China Wirtschaftsmacht Nummer Eins. In dieser Zukunft spielt Benjamin Lauterbachs „Der Chinese“. Deutschland ist ein von Importen unabhängiges Ökoland mit bio-nationalistischer Glücksverheißung. Eine Utopie, die angesichts von aktuellen Bio- und Gesundheitstrend gar nicht so utopisch klingt. Doch Kleingartenbesitzer sollten sich nicht zu früh freuen. Es braucht nur einen Chinesen, um alles ins Wanken zu bringen. Regisseur Rüdiger Pape macht aus der Groteske um eine deutsche Vorzeigefamilie eine gut getimte Sitcom im Schöner-Leben-Stil. Auf komplett grüner Bühne sitzt die vor Freude jauchzende vierköpfige Familie wie Bio-Schaufensterpuppen vor ihren Heimatfrüchte-Drinks: „Wir lieben unseren Chinesen jetzt schon.“ Für die chinesische Regierung soll Herr Ting so viel wie möglich von den Öko-Deutschen lernen. Oder ist er doch ein Spion? Eva Horstmanns gibt dauergrinsend und motorisch überkorrekt keinen Aufschluss darüber. Und kaum packt Herr Thing seine plastikvergifteten Gastgeschenke und sein Smartphone aus, wird er zum rot-gelben Feind im Grünland. Peter S. Herff wachsen als Vater Alexander und angestrengt selbstkontrollierter Beschützer des Familienglücks sichtlich die Schweißflecken auf der grünen Weste, während Chris Nonnast die strahlenden Gesichtszüge von Mutter Gwen herrlich psychopatisch entgleisen. Ihre finale Idee: Alex solle sich den Kopf einschlagen und es dann dem Ausländer in die Schuhe schieben. Dass wir eine neue Klasse zerebral gleichgeschalteter Bio-Nazis vor uns sehen, ist Papes Besetzung gedankt. Die zuckersüßen Kinder Maria-Lara und Niclas, die für Puppe und Spielzeugauto die Eltern denunzieren würden, geben Sibel Polat und Faris Yüzbasioglu. Multikulti, weltoffen und nachhaltig – so ist die neue deutsche Elite-Gesellschaft. Auch wenn es hier und da klamaukt, schafft Pape eine fein pointierte Übersetzung des hintergründigen Textes. Dass wirtschaftliche Freiheit zu Lasten der persönlichen geht, Toleranz eigentlich Herablassung ist und das saftige Landgrün eher wie lackiertes Braun wirkt, machen die Finesse dieser zynischen Zukunfts-Satire aus.
„Der Chinese“ | R: Rüdiger Pape | Theater im Bauturm | 1.5., 2.5., 13.-16.5., 28.-30.5. 20 Uhr | 0221 52 42 42
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