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„Wohnen. Unter Glas
Foto: Klaus Lefebvre

Bonjour Tristesse

23. Februar 2012

„Wohnen. Unter Glas“ in der Schlosserei – Theater am Rhein 03/12

Max hechtet mit einem Sprung auf die Bühne und rutscht bäuchlings über den weißen Boden. Sportiv und energisch in den Bewegungen versucht er, das Wiedersehen mit zwei Frauen auszuhalten, denen er als Mann nicht gewachsen ist. Die eine, Jeani, klagt über fehlende Orgasmen, die andere, Babsi, dass er nicht kuscheln könne. Jeani lenkt rauchend von ihrer bevorstehenden Hochzeit ab; Babsi will nicht mehr so sein wie früher.

Das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen den Dreien ist Gegenstand von „Wohnen. Unter Glas“, einer kurzen Geschichte über das Lebensgefühl der Thirtysomethings. Man hat aus Kostengründen zusammengewohnt, einst. War ein bisschen links und hatte die Zukunft noch vor sich. Nach Jahren trifft man sich in einem Hotel wieder. Im Laufe einer Nacht werden Lebensbilanzen gezogen und die gemeinsame Vergangenheit reflektiert. Die Hotellobby ist ein designt cooler Ort: schwarz-weiß, kantig mit drei eckigen Ledersesseln und von der Decke hängenden Monitoren (Bühne: Thomas Dreissigacker). Via Bildschirm begegnen wir Max‘ digitalem Alter Ego, mit dem man sich im Übrigen via Facebook anfreunden kann. Max führt per Videoblog Selbstgespräche über Verlust und Entfremdung. Nikolaus Benda spielt ihn mit Drei-Tage-Vollbart, ein Konsumjunkie, beziehungsunfähig und distanziert wütend.

Irgendwie zornig scheinen auch Marina Frenk und Lena Schwarz – alle drei präsentieren den Text mit hohem Stimmdruck, sehr exaltiert und ausgestellt. Das bekommt dem Sound der Sprache des österreichischen Dramatikers Ewald Palmetshofer nicht unbedingt gut. Seine Figuren äußern ihre Befindlichkeiten in Ellipsen: Worte hängen in der Luft, Sätze werden nicht vollendet. Das Ganze ist nicht ohne Komik, doch die junge Regisseurin Julia Kohlhaas deckt (Selbst-)Ironie und Humor des Textes mit angstvoller Lähmung und depressiver Leere zu. Zu allem Überfluss regnet es. Wie ein Vorhang schiebt sich der Regen zwischen Max und Babsi – ein schönes Bild für die gestörte Kommunikation und die Nicht-Nähe. Einmal versuchen die beiden eine Umarmung und scheitern an ihrer Unbeholfenheit. „Also theoretisch könnt man sich da auch mal freuen“. Doch diese Form positiver Energie bleibt eine ungenutzte emotionale Option.

„Wohnen. Unter Glas“ von Ewald Palmetshofer | R: Julia Kohlhaas | Schauspielhaus Köln, Schlosserei | 20./21./29.-31.3., 20 Uhr | www.schauspielkoeln.de

SANDRA NUY

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