Treffen sich Oswald Spengler, Robert Walser und Walter Benjamin auf der Bühne. Fragt der eine: „Was macht ihr?“ Sagt der andere: „Schluss.“ Walser hat sich da schon den Karton mit seinen letzten Dingen unter den Arm geklemmt, nachdem lange von seinem Verschwinden und vom Schrumpfen seiner Sütterlin-Buchstaben die Rede war.
Hannelore Honnen hat für „Satisfaktion – Spengler/Walser/Benjamin“ Passagen aus Benjamins Essay über die Sprache, Spenglers Überlegungen zu Mensch und Technik sowie zwei Erzählungen Walsers zu einem Text montiert. Anfangs geht es vor allem um die Sprache. Benjamin verbindet Namen und Wesen miteinander, bevor Ding und Name zufällig benannt werden. Da wird das Klavier plötzlich zur Tomate, der Zuschauer zum Auto. Die Positionen geraten in Widerspruch, wenn Spengler und Walser sich heftig und emotional streiten – später fassen sich all an den Händen, ohne dass das unstimmig wirkt.
Die drei Kunst- und Geistesheroen „warten ... an den Rändern der Geschichte“, reflektieren über den Abstand und dass „das Nächste zugleich das Fernste“ ist. Insofern ist es kein Problem, dass alle von Frauen dargestellt werden. Im Gegenteil: Wie Mirjam Radovic als Benjamin im blauen Matrosenkostüm, Signe Zurmühlen als geckern lachender Walser im grünen Lodenzeug und Celina Rongen als Spengler im alarmroten Outfit frontal zum Publikum aus den Gedankensplittern eine Erzählung entwickeln, ist wunderbar. Kunstvoll rücken dabei Kindheitsgeschichten und -erfahrungen sowie das Lebensende nah aneinander. Wie „Affen, die sich von Bombast zu Bombast schwingen“ (so Benjamin anfangs über intellektuelle Dünnbrettbohrer) klettern die drei Darstellerinnen zeitweise fast selbst: Regisseur Joe Knipp lässt sie an zwei senkrechten Stangen turnen. Am Ende steht die (glücklicherweise falsche) Zukunftsvision von Benjamin, Walser und Spengler, dass wohl nicht viel von ihnen bleiben werde. Kein Seminarbesuch, keine (V)Erklärung, dafür ein spielerisch-leichter und unbombastischer Zugang zu schwierigem Terrain.
„SATISFAKTION“ | R: Joe Knipp | Theater am Sachsenring | 26.-31.3., 20 Uhr |
0221 31 50 15
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Es sollte jede Art von Kunst geben“
Joe Knipp über die Schließung des Theaters am Sachsenring – Interview 11/19
Weihnachten mal witzig?
„Die Weihnachtsengel“ im Theater am Sachsenring – Bühne 10/19
Nicht mehr dabei
„Tür auf, Tür zu“ im Theater am Sachsenring – Bühne 07/19
Blaue Nacht, rote Sonne
„Die Zauberflöte“ im Theater am Sachsenring – Theater am Rhein 06/19
Jubiläum mit Roboter
Theater am Sachsenring feiert 30er mit Komödie und Party – Bühne 03/17
„Ein großes Privileg, diese Arbeit machen zu dürfen“
Joe Knipp über 30 Jahre Theater am Sachsenring – Bühne 03/17
Ohne Biss
„Dracula“ am Theater am Sachsenring – Theater am Rhein 06/15
Großmeister des Flaschentrockners
„Satisfaktion II“ im Theater am Sachsenring – Theater am Rhein 02/14
Beziehung in Beige
Bergmans „Szenen einer Ehe“ am Sachsenring – Theater am Rhein 07/12
Die Bilanz zum Vierzigsten
Theater am Sachsenring spielt rasant-komisches Stück über das Leben ab 40 - Komikzentrum 05/12
Theater im Keller
Kölns drohendes Theatersterben - Theaterleben 11/09
Klamauk und Trauer
„Die Brüder Löwenherz“ in Bonn – Theater am Rhein 01/25
Ein Bild von einem Mann
„Nachtland“ am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 12/24
Fluch der Stille
„Ruhestörung“ am TdK – Theater am Rhein 12/24
Im Land der Täter
„Fremd“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 12/24
Das Mensch
„Are you human“ am TiB – Theater am Rhein 12/24
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Bis der Himmel fällt
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 09/24
Feder statt Abrissbirne
„Fem:me“ in der Alten Feuerwache – Theater am Rhein 07/24
Der Untergang
„Liquid“ von Wehr51 – Theater am Rhein 07/24
Gefährlicher Nonsens
Kabarettist Uli Masuth mit „Lügen und andere Wahrheiten“ in Köln – Theater am Rhein 07/24
Den Schmerz besiegen
„Treibgut des Erinnerns“ in Bonn – Theater am Rhein 07/24
Alles über Füchse
„Foxx“ in den Ehrenfeldstudios – Theater am Rhein 07/24
Vergessene Frauen
„Heureka!“ am Casamax Theater – Theater am Rhein 06/24
Freiheitskampf
„Edelweißpiraten“ in der TF – Theater am Rhein 06/24