Es ist keine Comedy-Variante von „Draußen vor der Tür“, die die Besucher von Joe Knipps Kellerbühne erwartet, vielmehr versprach das Theater ein „Drama von Beckettschem Format“. Die gewagte Einordnung ist immerhin nicht abwegig für diese 2011 uraufgeführte Arbeit der „Tatortreiniger“-Autorin und Theatermacherin Ingrid Lausund (a.k.a. Mizzi Meyer), die auch schon im Theater der Keller zu sehen war. In einer absurden Dramaturgie möglicher Situationen und Begegnungen erfährt eine Frau, die von Bettina Scholmann gespielte Anneliz, das Ausgesperrtsein. Und sicher nicht zufällig: „Alle Männer machen unterschiedliche Erfahrungen, alle Frauen dieselbe.“
Tür auf, Tür zu: So geht es die ganze Zeit. Doch für wen? Gibt es Chancengleichheit, Gerechtigkeit? Der Welt ist das Schicksal des Einzelnen gleichgültig. Die Tür (Jonas Herkenhoff) ist unbestechlich und geht vor allem gerne zu. Anneliz versucht sich ihr Ausgesperrtsein zu erklären, das vor der Tür einer Party, bei der sie eben noch zu Gast war, zunächst als böser Streich erscheint. Steckt ein Mann dahinter? Mehrere von dieser Sorte begegnen ihr, alle gespielt von Ansager Richard Hucke, alle irgendwie mit dem Kopf woanders. Es gibt weder Bild- noch Kostümwechsel, eher dreht man sich kurz im Kreis und ist in einer neuen Begegnung, vielleicht auch vor einer neuen Chance, hineinzukommen. Wie weit muss man dafür eigentlich gehen? Reicht die Empörung oder muss Frau sich am Ende erniedrigen? Und irgendwie hat sie sich das ja vielleicht auch selber eingebrockt, ohne es zu merken.
Die Kommunikation mit den Männern? In der schnelllebigen, neurotischen Großstadt-Welt dieses Stücks, das selbst ein Teil von ihr zu sein scheint, gibt es wenige, die sich für Anneliz‘ Probleme interessieren. Oft sind beide Seiten mit Small Talk einfach am besten beraten. Aber auch das Stück, das wie eine Übersetzung anmutet, könnte genauer sein. Abgesehen von einem tiefergehenden Schlussmonolog ist alles skizziert und angedeutet, flüchtig wie die Beziehungen. Bettina Scholmann macht's gut, ist aber für so ein betont oberflächliches Variations-Exerzitium, das weder Ort noch Zeit kennt, vielleicht zu sehr ihr eigener Typ. Richard Hucke legt auf sportlich-amüsante Weise Rollen und Geisteshaltungen an und ab.
Regisseur Joe Knipp hat hier ein aktuelles Stück gewählt und auf 65 Minuten heruntergebracht, das den derzeitigen Möglichkeiten seines Theaters gut entspricht. Hucke in seiner Rolle klagt darüber, nebenher den „Chor“ allein spielen zu müssen: Sparmaßnahmen. Und wie ausgeschlossen ist das Theater? Es stünde „für die nächste Spielzeit ohne jede finanzielle Unterstützung durch die Stadt da“, heißt es in einem Flyer. Man sei „einigermaßen fassungslos“.
„Tür auf, Tür zu“ | R: Joe Knipp | Fr 25., Sa 26.10. 20 Uhr | Theater am Sachsenring | 0221 31 50 15
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