Um es vorwegzuschicken: Leider hat die Akademie der Künste der Welt seit ihrer Gründung vor fünf Jahren mit 1 Million Euro von der Stadt Köln und 150.000 Euro vom Land NRW viel zu wenig gemacht. Sie hat zwar Künstler, Wissenschaftler und Journalisten von hoher, internationaler Qualität nach Köln eingeladen, sie hat sich aber auch viel zu lange mit sich selber beschäftigt. Sie hat sich zu wenig lokal vernetzt. Sie hat zu wenige Veranstaltungen und Koproduktionen realisiert und sie hat zu wenig Wirkung in die Stadt hinein entfaltet. Manches waren Geburtswehen eines von Seiten der Politik zu unklar definierten Projektes, anderes waren sträfliche Versäumnisse. Die Haushaltskoalition aus CDU, FDP und Grünen hat für den Haushalt 2018 nun eine Kürzung der Zuschüsse um 400.000 Euro auf 600.000 Euro beschlossen, um ihre Kritik an der Arbeit der Akademie zum Ausdruck zu bringen und sie zu zwingen, sich verändert neu aufzustellen. Wie man sich nach dieser existenzgefährdenden Strafaktion die Neuaufstellung vorstellt, wurde allerdings nicht mitgeteilt.
Dabei ist die Grundkonzeption dieser, durch den Kölner Autor Navid Kermani mit initiierten Akademie, welche Künstler aus der ganzen Welt in Köln versammelt, Denk- & Diskursräume sowie Arbeits- und Auftrittsmöglichkeiten anbietet, wegweisend und äußerst zukunftsorientiert. Ein Kölner Vorzeigeprojekt, welches international beachtet wird. Es gibt in der Stadt wenig Vergleichbares.
Mit Ekaterina Degot bekleidet gerade eine international renommierte Kuratorin die künstlerische Leitung und es gelang ihr – vielleicht zu langsam – erste wahrnehmbare Kurskorrekturen in der Ausrichtung der Akademie vorzunehmen: So wurde zum Beispiel das Kunstfestival „Pluriversale“ ins Leben gerufen. Degot wird übrigens künftig eines der größten europäischen Kulturfestivals, den Steirischen Herbst in Graz, leiten. Ihr soll(te) nun mit Madhusree Dutta, eine international bekannte indische Filmemacherin, aus dem nicht nur bevölkerungsreichsten, sondern zukünftig vielleicht auch dynamischsten aller Länder nachfolgen. Dutta plant(e) bereits ihren Umzug von Mumbai nach Köln.
Die nun vorgenommene Abstrafung der Akademie bzw. die Umschichtung der gekürzten 400.000 Euro zu Gunsten der lokalen freien Kulturszene als Ganzes ist trotz der oben beschriebenen Probleme massiv abzulehnen, weil sie die Akademie zerlegt und einen Kannibalisierungsvorgang innerhalb der städtischen Kultur darstellt. Eine Institution wird zu Gunsten anderer Kulturinstitutionen geschädigt, anstatt die städtische Kultur insgesamt zu stärken. Versäumnisse in der Grundfinanzierung der gesamten städtischen Kulturszene sollen so verschleiert, lokale Akteure ruhiggestellt werden.
Anders wird ein Schuh draus! Eine starke Akademie der Künste der Welt ist für die gesamte Kulturlandschaft in Köln und NRW wünschenswert, sie macht – dies ist der alles entscheidende Punkt – aber letztlich auch nur Sinn, wenn sie auf einer gut funktionierenden, durch hohe künstlerische Qualität gekennzeichneten und national wie international vernetzten lokalen Szene aufsetzt bzw. sich mit dieser tief vernetzt.
Die Kritik der Politik an der Akademie ist folglich eine Kritik an sich selbst.
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