Wie lebte es sich eigentlich als Familienmutter in der ehemaligen DDR? Was ist der Unterschied zwischen Besitz in der einstigen Ostzone und westlichem Kapitalismus? Diesen spannenden Randfragen eines Randthemas geht das Performance-Konzert „Original Sin“ von Sussane Sachsse nach. Eigentlich ist Sachsse Schauspielerin. Nun hat sie jedoch die wahre Geschichte ihrer eigenen Großmutter, Luise Brand, einer berufstätigen Familienmutter in der DDR, der sie wohlwollend, aber auch kritisch begegnet, in ein Konzert gepackt. Alle drei – die Mauern, das Regime und ihre Oma – sind inzwischen längst tot. Ihre Geister leben jedoch weiterhin. Dank einer experimentellen, musikalischen Darbietung mit poetischen Texten, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mittels verschiedener Stimmen erzählt werden. Spannend ist, dass Sachsse dabei eine Familienmutter – eigentlich nichts Besonderes – als Protagonistin wählt, die auf ihre Weise jedoch, ein imposantes Haus mit ihren zwei Kindern, einem älteren Ehemann, zwei Hunden und obendrein aber noch einem jüngeren Liebhaber besitzend, sehr wohl gegen das Regime rebellierte. „Original Sin“, das in Kooperation mit dem Goethe-Institut, den Münchner Kammerspielen und der Kunsthochschule für Medien Köln entstanden und das vom Stadtgarten und der Akademie der Künste der Welt veranstaltet wird, ist quasi das, was geschieht, wenn Omas regimekritische Taten musikalisch reloaded werden.
Mit experimentellen, theatralischen Klängen der alternativen, amerikanischen Independent-Band Xiu Xiu um Jamie Stewart, die irgendwo zwischen Synthie-Pop, Industrial Post Punk und Avantgarde angesiedelt ist, angereichert, und angelehnt an das Genre eines Horror Movies, verspricht diese Performance äußerst spannend und gespenstisch zugleich zu werden. Nicht zuletzt auch dank Vaginal Davis, einer ursprünglich aus der Underground-Szene in L.A. stammenden, heute in Berlin lebenden queeren Künstlerin, die sich mit Performances, Installationen und Bildern in der queeren Szene einen Namen gemacht hat.
Eins steht fest: Es wird sündhaft gespenstisch.
Susanne Sachsse & Xiu Xiu: Original Sin | So 10.6. 20.30 Uhr | Stadtgarten | www.academycologne.org
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Befreiung durch Verwandlung
Laura Totenhagen im Stadtgarten – Musik 11/24
Im Umgang mit Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW
Besuch von der Insel
„Paul Heller invites Gary Husband“ im Stadtgarten – Improvisierte Musik in NRW 04/24
Woyzeck im Karneval
„kah.na.v‘aw“ in der Akademie der Künste der Welt – Kunstwandel 11/23
Achtmal Brücken und siebenmal Rock
Akademiker und Rocker im Konzert – Unterhaltungsmusik 05/23
Je bunter, umso besser
„Die Verwandlung“ in Wuppertal, Köln und Düsseldorf – Improvisierte Musik in NRW 01/23
Den Eisbär im Programm
JugendJazzOrchester NRW im Stadtgarten Köln – Improvisierte Musik in NRW 12/22
„Habe mit dem Klavier eine tiefe Freundschaft geschlossen“
Hans-Joachim Roedelius über Leben und Musik – Interview 08/22
Bloß kein Klangmuseum
„Cologne Jazzweek“ erobert die Domstadt – Improvisierte Musik in NRW 08/22
Back to Business – im falschen Format?
Die Musikbranche zwischen Hoffnung und Bangen – Unterhaltungsmusik 07/22
Ein Newcomer und zwei Legenden
Simon Oslender Super Trio in Köln – Jazz am Rhein 05/22
Die Enthüllung des Unsichtbaren
Suzie Larkes „Unseen“ im Stadtgarten – Kunst 05/22
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24
Tanzen gegen Rassentrennung
„Hairspray“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 11/24
„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24
Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24
Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24
Die Maximen der Angst
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei – Theater am Rhein 10/24
Die ultimative Freiheit: Tod
„Save the Planet – Kill Yourself“ in der Außenspielstätte der TanzFaktur – Theater am Rhein 10/24
Wenn das Leben zur Ware wird
„Hysterikon“ an der Arturo Schauspielschule – Prolog 10/24
Spam, Bots und KI
„Are you human?“ am Theater im Bauturm – Prolog 10/24
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Die KI spricht mit
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei in Köln – Prolog 10/24
Diskussion ohne Ende
„216 Millionen“ am Schauspielhaus Bad Godesberg – Auftritt 10/24