Der Karneval zelebriert im besten Falle mit humoristischem, kritischem und solidarischem Blick das Leben aller Kreaturen. Eine rein egoistische Selbstdarstellung inklusive der Befriedigung eigener Gelüste auf Kosten anderer stand ursprünglich nicht auf der Agenda des Festes. Gewalt, Alkoholexzesse, Sexismus, Rassismus, Vermüllung und Kommerz sind jedoch zu ständigen Begleitern der sogenannten Fünften Jahreszeit geworden. „Da simmer dabei!“ lautet das Credo hunderttausender Anhänger:innen. Dass es auch andere Positionen gibt, möchte die Akademie der Künste der Welt mit ihrem aktuellen Programm „kah.na.v'aw – Spiritualität, Ökonomie und Politik“ aufzeigen. Noch bis Mitte Dezember sollen Events in der Domstadt und Rio de Janeiro auf Chancen interkultureller Begegnungen abseits des nächsten persönlichen Alkohol- oder Fremdschamrekords aufmerksam machen.
„Brasilien ist ein zutiefst rassistisches Land. Der Karneval bietet den Menschen eine Widerstandsmöglichkeit gegen diese Tradition des Hasses. Gleichzeitig ist der Karneval ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor“, sagt Adriana Schneider Alcure. Die künstlerische Leiterin des Projekts wünscht sich, dass die humanistische Perspektive auch in Europa sichtbarer wird. Die Kostümierung soll daher durch Soundinstallationen, Videobeiträge oder Gesprächsveranstaltungen zu den Bereichen Spiritualität, Politik und Ökonomie ergänzt werden. Hierfür laden die Initiator:innen zu kostenlosen Besuchen ins Studio auf der Herwarthstraße 3 in der Innenstadt ein. Dort sind unter anderem Videointerviews mit Koryphäen der brasilianischen Szene und das gemeinschaftlich-friedliche Feiern auf den Straßen Rio de Jarneiros dokumentiert. Auch speziell angefertigte Kostüme liegen zur Anprobe bereit. InKoproduktion mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum erwartet die Gäste zudem eine Neuinterpretation von Georg Büchners Tragödie „Woyzeck“: Am 25. November zeigt das Museum „Woy – Eine karnevaleske Sambópera in vier Akten“ unter der Regie von Alex Mello. „Wer ist Woy heute? Mann, Frau, fluides Geschlecht?“ lauten die Fragestellungen zur Geburt von Büchners Protagonisten in einem Karnevalsumzug. Der Eintritt ist frei.
kah.na.v'aw – Spiritualität, Ökonomie und Politik | bis 15.12. | Akademie der Künste der Welt u.w. Orte | 0221 337 74 80
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Im Umgang mit Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Berührungsängste verboten
„Memory is not only past“ in der ADKDW – Kunst 04/24
Utopisch denken
Ausstellung „Sci-(no)-Fi“ im Academyspace – Kunst 10/19
Wir kopieren nicht zum Spaß
„Copy It!“ im Academyspace – Kunst 04/19
„Wie wird mit Erinnerungen umgegangen?“
Akademie-Leiterin Madhusree Dutta will archivieren und vernetzen – Interview 12/18
„Ich war tatsächlich ein wenig nervös“
Madhusree Dutta leitet seit April die Akademie der Künste der Welt – Interview 12/18
Mehr Schein als Sein?
Lesung und Gespräch zu „Köln kosmopolitisch“ – Literatur 12/18
Das Objekt der Begierde
„Perverse Decolonization – 1985“ im kjubh – Kunst 11/18
Unmenschliche Zeitzeugen
Die Wucherungen des Kolonialismus: „Floraphilia“ im Academyspace – Kunst 09/18
Kunst greifbar machen
Das Palais Temporär und die performativen Künste in Köln – Spezial 09/18
Gespenstische Mauerüberquerung
„Original Sin“: Susanne Sachsse & Xiu Xiu im Stadtgarten – Bühne 06/18
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24
Niemals gleich
Roni Horn im Museum Ludwig – kunst & gut 07/24
Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24