Wenn metallene Wasserfälle den Verstand fluten („Hell‘s Machine“, Anastasia Sosunova), sich eines Menschen Selbstwahrnehmung auf wenigen Seiten eines ungeschönten Miniaturcomics abzeichnet (Žiga Sever), die Stahldrähte eines nur scheinbar aus Federn bestehenden Schals schmerzhafte Spuren hinterlassen (Kanitha Tith), der kühlende Schatten keine Rolle im Sonnenwahn des Weltalls mehr spielt (Buket Isgören) – dann ist es höchste Zeit, etwas zu empfinden.
Die Akademie der Künste der Welt (ADKDW) möchte mit dem dreijährigen Projekt „Not Afraid of Art“ (2024-2026) den Kunstraum als Ort des gemeinsamen Erlebens und Verstehens kultivieren. Sowohl im Studio an der Herwarthstraße als auch an öffentlichen Orten in Köln präsentiert die international agierende Initiative aktuell Werke von Barış Doğrusöz, Kanitha Tith, Anastasia Sosunova, Buket Isgören und Žiga Sever. Darüber hinaus zeigt Yussif Musah das 45 Quadratmeter umfassende Wandgemälde „How the Leopard got his Claws“ im Rautenstrauch-Joest-Museum. Die Auftragsarbeit reflektiert den Kolonialismus als dokumentarisch-kritische Aufarbeitung. Zeichnungen von Isaac Zavale waren unter dem Titel „Asithukanga“ bereits in den Vitrinen an der U-Bahnstation Ebertplatz zu sehen. Sie schildern die erwartungsfrohe Reise eines jungen Mannes aus den Townships von Johannesburg ins Zentrum der Metropole. Dass der Trip mit einem Überfall beginnt, erscheint als tragisches Gleichnis für das Selbstverständnis urbaner Lebensarten. Anastasia Sosunovas „Hell‘s Machine“ leitet die Angst dagegen auf die Netzhaut der Despot:innen um. Mit ihren Exponaten aus einem ehemaligen sowjetischen Untergrundverlag erinnert Sosunova an den politischen Widerstand in Autokratien. Dabei greift die Künstlerin auf Druckplatten mit einst verbotenen Schriften zurück. Schon vor einigen Monaten waren Barış Doğrusözs Installationen „Interstices, a dizzying array of combinations“ zu sehen. Jene „Zwischenräume“ irritieren, greifen sie doch die verschiedenartigen Formen eindeutiger Überwachungsschächte auf, aus denen misstrauische Augenpaare potenzielle Staatsfeinde verfolgen. Konzeptionelle Klangkompositionen sowie Diskussionen mit den beteiligten Künstler:innen ergänzen ein Spektrum, das Traumata und Utopien im Wechselspiel freizusetzen vermag.
Not Afraid of Art | bis 1.12. Fr-So 15-20 Uhr | ADKDW Studio | www.adkdw.org
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