Langsamer als die Bahn, womöglich unpünktlicher, aber zum konkurrenzlos günstigen Tarif: An Rhein und Ruhr entdeckt man das Reisen mit dem Fernbus. Seit Jahresbeginn ist das Angebot enorm gewachsen – Anfang November nehmen ADAC und Post gemeinsam neue Linien auch ab Köln in Betrieb.
Donnerstagnachmittags um halb vier knubbelt es sich vor dem Essener Hauptbahnhof. Während „Mein Fernbus“ noch Pause macht, rollen gegenüber „Eurolines“ und „Biacomex“ an den Bordstein. Schließlich kommt noch der „Berlin Linien Bus“ hinzu. Damit ist hier unten fast genauso viel Betrieb wie oben an den Gleisen. Bloß dass es gerade zwei Dutzend Menschen sind, die ihre Taschen, Koffer oder Rucksäcke im Bauch der Roadliner verstauen. Aber ihre Zahl steigt mit jeder Woche.
Mit der grün lackierten Linie ist Katharina (24) nach Karlsruhe unterwegs. Wie die Bahn wird der Fahrer unterwegs noch andere Haltepunkte ansteuern: Düsseldorf, Köln, Mannheim und Heidelberg. Sechs Stunden braucht es, Katharina hat Zeit: „Ich kann mich unterwegs gut beschäftigen“, sagt sie. Lesen sicherlich, später Musik hören. Internet gibt’s auch. Unkomfortabel scheint der Bus nicht zu sein. „Außerdem ist es einfach die billigste Gelegenheit.“ Lukas (21) kann das bestätigen. Er studiert in Karlsruhe, hat hier ein paar Leute besucht und auf dem Hinweg den Zug genommen. „Das kostete 40 Euro, die Rückfahrt im Bus aber bloß 15 Euro. Hab ich auch einigermaßen früh gebucht.“ Kollegen machten ihn auf die neue Möglichkeit des Reisens aufmerksam, die preislich sogar noch die Mitfahrzentrale unterbietet. Um die Hälfte.
Manche Details kommen so hübsch daher, dass sie wie arrangiert wirken. Beispielsweise heißt der Bushalte-Abschnitt vor dem Hauptbahnhof „Freiheit“ und verweist – als ob geplant – auf die Liberalisierung im Fernverkehr, die seit Jahresbeginn gilt. Nun sind wieder Fernbus-Linien zugelassen, auch wenn sie parallel zu Strecken der Deutschen Bahn verlaufen (was quasi immer der Fall ist). Vorher waren sie fast flächig von der Bildfläche verschwunden und kehrten auch durch ausländische Anbieter nur vereinzelt zurück. Immerhin: Mateusz (21), der sonst mit Kollegen im Auto nach Polen zurückfährt, dieses Mal aber eine Alternative benötigt, bietet der „Euroliner“ die Chance, mit 61 Euro bis nach Bialystok zu kommen. Für 1.255 Kilometer Strecke ein sehr respektabler Preis.
Über das stetig wachsende Angebot informieren Vergleichsportale wie „busliniensuche.de“. Dort werden aktuell 70 Anbieter gelistet, „das sind so gut wie alle“ sagt Geschäftsführer Martin Rammensee. Ihre Offerten reichen von Berlin-Zürich, das sechsmal täglich mit Doppelstock-Linern bedient wird, bis zum „Sprintbus“, der nur freitags von Köln nach Frankfurt fährt und sonntags zurück – ansonsten aber Schulklassen und Kegelvereine transportiert. In der bisherigen Anlaufzeit hätten sich bereits acht größere Betreiber herausgebildet. Der schon ältere „Berlin Linien Bus“ gehört dazu, dito „Flixbus“ oder „City2City“, hinter dem National Express als spanischer und englischer Marktführer steht. Mit der ADAC-Postbus-Kooperation drängt ein weiterer Player in das Geschäft. „Am Angebot wird sich noch reichlich was ändern“, ist sich Rammensee sicher, „etliche Städte kommen dazu, und auch die Taktfrequenz wird ausgestaltet. Das braucht aber noch fünf bis sechs Jahre.“ Immerhin erwartet die Branche bereits für 2013 einen Ticketumsatz von gut 150 Mio. Euro, mittelfristig sollen daraus 500 bis 800 Millionen werden.
Langsamer, aber günstig: Katharina und Lukas haben sich fürs Busfahren entschieden, Foto: Tom Jost
Ist eigentlich auch gut fürs Klima, was den Geldbeutel schont? Das hängt davon ab, wie Mitfahrer-Pkw und Bus ausgelastet sind, oder ob die Bahn mit Ökostrom fährt. „Hinter der Bahn muss sich der Bus jedenfalls nicht verstecken“, meint Rammensee. Eine Studie des Umweltbundesamtes scheint dies zu bestätigen. Danach kommt der Bus bei 60prozentiger Auslastung auf ein Benzin-Äquivalent von 1,3 Litern pro 100 Personenkilometer, der Zug mit 48 Prozent Belegung auf 2,3 Liter. Und die Pünktlichkeit? Soll nach erster Erfahrung „erstaunlich“ sein. Klar: Ein internationaler Bus, der in Ungarn startete, bringt erfahrungsgemäß eher Verspätung mit. Auch die von Katharina und Lukas genutzte Linie kann zwischen Stuttgart und Karlsruhe schon mal in den Stau kommen. „Aber wenn man will“, sagt die Essenerin, „wird man per SMS vorgewarnt.“
Bleibt die Frage nach den Arbeitsbedingungen der Fahrer. Als offenes Geheimnis gilt, dass die Unternehmen Probleme haben, genügend Personal anzuwerben. Deshalb werden immer mehr Busse von EU-Ausländern gesteuert. Verdis Landesbezirk Düsseldorf hat nach Angaben seines Fachbereichsleiters Peter Büddicker inzwischen „Hinweise auf Fahrer aus Tschechien mit tschechischen Löhnen.“ In Kooperation mit der Organisation „Mobifair“ sondiere man den Markt und prüfe mit getarnten Fahrgästen, ob Lenk- und Ruhezeiten eingehalten würden. Auch der Fahrer des grünen Busses nach Stuttgart ist unschwer als Südeuropäer zu erkennen. Bis Mannheim gehe noch seine Tour, dort werde er von einem Kollegen abgelöst.
Der Mann schließt die Gepäckraumklappe, wenig später startet er mit rund zehn Fahrgästen. „Ab Köln ist ausgebucht“, sagt der Fahrer. Dabei ist noch nicht einmal Wochenende.
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