Nach der Pause ist die Luft raus: Zum einen aus der riesigen Luftmatratze, die die Bühne im ersten Teil bedeckt und das Ensemble zu slapstickhaften Turnereien und Balgereien einlädt. Zum anderen aus der Inszenierung von Pinar Karabulut; denn was in ihrer Version von Anton Tschechows „Drei Schwestern“ sportlich und pfiffig als vorgangsreiches Theater beginnt, endet in einem bis auf den Nullpunkt reduzierten Abend. Und der nervt leider mit seinem Formalismus, den Robotermenschen – die allerdings astrein choreografiert sind – und mit der ewiggleichen, in etlichen Inszenierungen schon tausendmal gehörten Theater-Elektro-Bum-Bum-Musik ziemlich.
Wie so viele unserer Zeitgenossen stecken Tschechows drei Schwestern zwischen verklärter Vergangenheit und strahlender Zukunft in der Klemme. Ihr Leben ist so leer wie die russische Provinz weit ist. Tagein, tagaus leben und plappern sie vor sich her. Das ewig wiederholte Mantra: „Nach Moskau!“ verkommt zur Leerformel. Doch wer sein Leben nicht lebt, darf sich nicht wundern, wenn das Leben sie überlebt.
Dabei ist die Comic-Ästhetik der drei Schwestern ein Fest: Irina (Katharina Schmalenberg) in weißem Kleid mit quietschoranger Steppjacke, Mascha (Yvonne Jansen) wahlweise in bodenlangem Schlafsack oder dem knappen Lack-und-Leder-Schwarzen oder Olga (Susanne Wolff), die wie eine Mischung aus Cartman und Obelix wirkt. Nur wissen sie nicht „wofür wir leben, wofür wir leiden“. Am Ende heißt es auf einer riesigen LED-Wand: „Error 404“ – gnadenloser kann man die Herausforderung eines gottverlassenen Lebens nicht auf den Punkt bringen.
„Drei Schwestern“ | R: Pinar Karabulut | 28.10. 16 Uhr, 7., 16.11. 19.30 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 221 28400
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