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„Geh hin, ich weiß nicht wohin – bring das, ich weiß nicht was"
Foto: Martin Miseré

Irrende Migranten, irrende Helden

22. Dezember 2015

„Geh hin, ich weiß nicht wohin..." von Subbotnik – Theater am Rhein 01/16

Um rauszukriegen, wer man ist, muss man sich nicht gleich auf die Freudsche Couch legen. Oleg Zhukov tut's trotzdem. Die Orientierungslosigkeit bleibt natürlich, sonst wäre der Abend ja auch schon zu Ende. Also macht er sich der gebürtige Ukrainer mit seinen Subbotnik-Kumpels Kornelius Heidebrecht und Martin Kloepfer auf nach Odessa, das er vor 17 Jahren verlassen hat. Ob man es nun transnationale oder hybride Identität nennt, was Oleg Zhukov durchmacht, ist der Regelfall bei rund dreißig Prozent der deutschen Bevölkerung. Wer bin ich gewesen und wer bin ich heute? Die Reise soll als Selbstvergewisserung dienen, verschärft den Konflikt aber vermutlich eher.

„Geh hin, ich weiß nicht wohin – bring das, ich weiß nicht was" heißt denn auch der neue Abend der Gruppe Subbotnik. Das Trio besucht Kirchen, Tante Luba, Flohmarkt, geht an den Strand, trifft auf Flüchtlinge, und je nachdem, wer erzählt, changiert der Abend zwischen Selbsterfahrung, Klischeereproduktion, Tagebuch, enttäuschter Erinnerung, popkulturellen Verweisen, Sentimentalität und Irritation – alles da auf der Bühne mit einem Gerüstbau, einem Bilderrahmen samt Vorhängen. Verschweißt wird der Reisebericht mit sehr viel Musik und vor allem einem Märchen über den Schützen Andrej. Er muss seine schöne Frau vor den Nachstellungen des Zaren verteidigen und dafür immer neue Aufgaben lösen bis zu der Peer-Gynt-haften Suche, die dem Abend dem Titel gibt.

Ist Andrejs Geschichte eine utopische Heldengeschichte oder vielleicht die Lösung? Macht das Herumirren erst den Helden? Und bleibt am Ende als Belohnung nur das „Home is where the heart is"? Genügt das? Im Märchen, vielleicht. Anders als bei früheren Produktionen ist dieser Abend der Subbotniks sehr locker gewebt, immer am Rande der Zerfransung und dramaturgischen Beliebigkeit. Natürlich fehlt die Virtuosität zwischen Livehörspiel, Schattenspiel, Musiktheater, absurder Märchenverkleidungen und nonchalanter Beiläufigkeit nicht – aber schließlich vermisst man doch die psychische Dringlichkeit, die der Beginn so drängend behauptet hat.

„Geh hin, ich weiß nicht wohin..." | R: Subbotnik | 29.12., 30.12., 2.1.,10.1., 27.1. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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