„Wie eine Oscar-Verleihung“ sieht ein theateraffines Ehepaar unter den Gästen jedes Jahr die Kölner Tanz- und Theaterpreise: „Man weiß nie, was in den Umschlägen steht.“ Nun schon zum 30. Mal verliehen, wurden am Montag im Haus der SK Stiftung Kultur 31.100 Euro an Preisgeldern feierlich in die freie Szene vergeben, unterstützt vom Kulturamt und von Unternehmen wie der Sparkasse Köln Bonn, GAG, TÜV Rheinland, Netcologne und Rheinenergie. Die Jurys hätten 112 Stücke gesehen, so Hans-Georg Bögner von der SK Stiftung Kultur, der die Preise vor 30 Jahren initiierte. Er moderierte zusammen mit Schauspielerin Aischa-Lina Löbbert.
Zum ersten Mal war mit Henriette Reker auch eine Oberbürgermeisterin dabei, die in ihrer Rede davon sprach, dass Kultur nicht nur „nice to have“, sondern „wichtig für unsere Identität“ sei. „Kunst und Kultur sind die Seele unserer Stadt.“ Mit dem Motto „Kultur lebt in Köln“ werde 2020 auch regional und überregional für die Kölner Kulturszene geworben, versprach kurz darauf Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach.
Star des Abends war die Schauspielerin Sibel Polat (33), nominiert mit mehreren Stücken sowie Gewinnerin des Darstellerpreises, für den zuvor keine Nominierten bekanntgegeben worden waren. Von der Jury hieß es, als sie Preis und Scheck auf der Bühne in Empfang nahm, sie sei „eine der aktivsten, vielseitigsten und interessantesten“ Darsteller – „ein Phänomen“. Sie gestalte ihre Rollen aktiv mit und sei keine Diva, sondern „versteht es, ein Ensemble mitzureißen“. Polat selbst appellierte an die versammelten Theatermacher: „Nehmt euch Zeit!“, womit sie auf die Überschreitung von vereinbarten Probezeiten und stressbedingte Konflikte anspielte. Ihr Appell für eine „anständige“ Bezahlung fand ebenfalls Bestätigung in großem Applaus. Polat wurde 1986 in Mersin in der Türkei geboren und studierte an der Arturo Schauspielschule in Köln. Sie ist derzeit unter anderem am Kindertheater der Comedia zu sehen mit „Agentur für Diebstahl“, „Wem gehört die Straße?“ und „Das doppelte Lottchen“.
Davon erhielt „Wem gehört die Straße?“ den Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreis. Hier würden die „Absurdität der Gender-Klischees“ vorgeführt, hieß es von der Jury, und es sei dabei „in keiner Weise belehrend“. Das Stück entstand als Koproduktion von Comedia Theater und Consol Theater Gelsenkirchen, inszeniert von Andrea Kramer. Die Kinder- und Jugendtheater in NRW sind gut vernetzt, Vertreter beider Theater zeigten sich zufrieden mit solchen Kooperationsmöglichkeiten.
Den Theaterpreis, als Hauptpreis dotiert mit 10.000 Euro, erhielt die von Tim Mrosek inszenierte Shakespeare-Adaption „Sturm“ mit Asim Odobašić und wiederum Sibel Polat. Jury-Mitglied Ulrike Westhoff hob hervor, dass das „lässige, geniale und wahnsinnig zeitgemäße“ Stück „auf geniale Weise auf 60 Minuten eingedampft“ worden sei, und lobte, wie die beiden Schauspieler das Innenleben von über 15 Figuren als ein „Kaleidoskop von Machtmissbrauch“ erlebbar machten. „Sturm“ wird im März wieder an der Studiobühne zu sehen sein.
Für den Puck-Nachwuchspreis der Theatergemeinde Köln waren Markus J. Bachmann, Fee Zweipfenning und Sharon Edelstein nominiert. Fee Zweipfennig (26) gewann den Preis an ihrem Geburtstag samt einer Einladung von einer Casting-Agentur. Sie sei „bereit, bereit, bereit“, sagte sie auf Nachfrage. Ein Jurymitglied nannte ihre diesjährige Arbeit in „Der Zwang“ (KunstSalon Theaterpreis) und „Mars-Chroniken“ als Entscheidungsgrund. Zweipfennig wurde 1992 in Aachen geboren und studierte an der Folkwang Hochschule in Essen Physical Theatre.
Mit dem Tanztheaterpreis wurde „A Universal Weakness“ von Choreografin Carla Jordão (37) ausgezeichnet. Die Kölner Koproduktion mit der Almada Dance Company in Portugal, die den Optimierungswahn und das Streben nach Einzigartigkeit aufs Korn nimmt, war im Juli in der TanzFaktur gezeigt worden. Ein Jurymitglied lobte den „absurden Umgang mit einem intellektuellen Thema“ und den Minimalismus: Die Cheoreografin habe sich „allein auf ihr Handwerk verlassen“. Das Stück wird am 20.12. bei Barnes Crossing zu sehen sein.
Der Kurt-Hackenberg-Preis für politisches Theater, ausgelobt von der Freien Volksbühne e.V., ging an das Freihandelszone Ensemblenetzwerk Köln für „Urbäng! – Das Festival für performative Künste in Köln“, das in diesem Jahr im Juni und Oktober stattfand, mit Veranstaltungen wie „Invited“ von Ultima vez. Sie hätten „super Formate gefunden, das Publikum einzubinden“, hieß es aus der Jury. Die Veranstalter erklärten, dass Mut dazu gehört habe, das anerkannte Festival „Globalize:Cologne“ 2016 nach zehn Jahren zu „beerdigen“, um sich der Zukunft der Städte und Stadtgesellschaften zuzuwenden. Die Kuratoren des Festivals sind selbst Künstler und wollen „weitersuchen nach neuen Formaten, neuen Gästen“.
Dass Fotograf Werner Meyer die Theaterfotografie einstellen will – er hat sich in Husum in Schleswig-Holstein eine alte Villa gekauft – wurde als ein Grund dafür angeführt, warum er nun als ziemlich einfache Juryentscheidung den Ehrentheaterpreis erhalte. Ein Jurymitglied sprach von der Qualität seiner Fotos und seiner hohen Professionalität. Meyer erinnerte sich, wie er 2003 im Theater der Keller als Grafiker gearbeitet habe und aus einer Not heraus sagte: „Ich könnte ja mal ein Bild machen.“ So habe es begonnen. Er habe jedes Stück gelesen, dass er begleitet hat, hieß es von Sabine Hahn ais der Jury, und sei bei der Arbeit „schwerelos“ gewesen. Meyer ist bis zuletzt noch unter dem Banner „Meyer Originals“ der offizielle Fotograf eines guten Teils der Kölner Theater- und vieler Tanzstücke der freien Szene und sein Archiv somit auch ein kulturelles Gedächtnis. Sichtlich gerührt, konnte er sich wie Sibel Polat und Fee Heitland an diesem Abend im Kreise der Szene über eine große Verbundenheit und Anerkennung freuen.
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