Laut wird es auf den Stairways to heaven im Pflegeheim, wenn der „Panther“ mit seinem Rocker-Rollator um die Ecke kommt. Sex and Drugs and Rock ’n’roll – den Anfang hat er längst vergessen, vom Rest will der demente Outsider nichts missen. Und das braucht er auch nicht, immer hat er eine Dose Bier dabei, selbst in seiner letzten Minute muss er darauf nicht verzichten, denn er hat selbst den Tod nicht mehr parat. Gut, dass seine Tochter ihn nicht vergessen hat.
Im Theater gibt es kein Vergessen. Deshalb inszeniert Moritz Sostmann in der Außenspielstätte am Offenbachplatz die „Bewohner“, nach dem Buch von Christoph Held. Die Geschichte darin zeigt wie sich die zerrissenen Erinnerungen in der falschen Umgebung immer wieder Löcher suchen, um zu kommunizieren. Gemeinsamkeiten unter den Bewohnern gibt es in der für Sostmann typischen Welt aus Puppen und Schauspielern nicht mehr, nur die Angehörigen kämpfen tapfer mit den zum Teil skurrilen Situationen. Hier muss doch ein Wort zu Hagen Tilp und seinen Minischauspielern gesagt werden, die in vielen Situationen ihren fleischgewordenen Mimen überlegen sind, selbst wenn sie drei davon brauchen, um sich ansehnlich über die Bretter zu bewegen. Da ist nie Konkurrenz, sondern immer eklatanter Mehrwert, und Sostmann kann den sehr gut steuern.
Das Stück beginnt mit dem Professor, der einst eine Vorlesung über die sogenannte Anosognosie bei Demenz gehört hatte. Da ging es um das Nichterkennen können der eigenen Krankheit, und das ist sicherlich auch das Unangenehmste, was Gesunde darüber erfahren können. Man sitzt in einem Saal geformt mit riesiger Tapisserie, die erste Patientin ist die Schauspielerin, die noch Bertolt Brecht kannte und letzten Endes aus den Rollen gefallen ist. Sie will immer noch besetzt werden und kommentiert köstlich viele kommenden Szenerien. Und „bitte“.
Die Schauspieler (Sebastian Fortak, Gabriele Hänel, Christoph Levermann, Anna Menzel und Magda Lena Schlott) lassen das Pflegeheim und die Arbeit darin eine subversive Realität werden, switchen ständig zwischen Spielen und Bewegen, müssen dabei emotionale Szenen aushalten, die an die Grenzen gehen. Ein Abend, der die Furcht zwar nicht lindert, aber für viele vielleicht etwas Hoffnung generiert.
„Bewohner“ | R: Moritz Sostmann | 29.9., 5., 6., 31.10. 20 Uhr | Schauspiel Köln, Offenbachplatz | 0221 22 12 84 00
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