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„Kein Science Fiction“
Foto: Sebastian Hoppe

Let’s occupy Mykene

23. Februar 2012

„Kein Science Fiction“ von Tine Rahel Völcker in Düsseldorf – Theater am Rhein 03/12

Europa braucht mehr Wachstum und Beschäftigung, es muss sich im weltweiten Wettbewerb auch in Zukunft behaupten können. (O-Ton unserer Bundeskanzlerin). Auch Theaterbesucher müssen sich in Düsseldorf behaupten können. „Bitte nicht hinsetzen“ tönt es aus dem Off: Erst einmal stehend soll das Katastrophenpotential der Gegenwart verhandelt werden. Da haben die Zuschauer bereits einen installierten Tunnel durchquert und den ersten Monolog verpasst. Das kann ja heiter werden. In der Uraufführung des Stücks „Kein Science Fiction“ von Tine Rahel Völcker, die noch geschrieben hat als bereits geprobt wurde, geht es um das übliche Verdächtige, das nebulös-gesellschaftlich Dramatische, um die herrschende Finanzkrise, den drohenden Arbeitsplatzverlust, die undefinierte rechte Gefahr: Ein Konglomerat für endlose überflüssige Talkrunden, wüst zeitgenössisch theatral eingebunden in eine Geschichte um Agamemnon, König von Mykene, dessen Reich als Konzern Atreus’ (sein Vater) durch die Wirren der Hochfinanz und den stärker werdenden Kampfbund für Europa geschüttelt wird. Alles soll sich wohl unter dem Volk (Publikum) abspielen, doch scheint das Ensemble in Düsseldorf einer solchen Aufgabe nicht gewachsen zu sein und produziert eher Turnübungen statt große Momente.

Das Volk okkupiert derweil lieber die Sesselreihen, was zu Katastrophen für Hälse und den Beleuchter führt. Irgendwann läuft sich die krude Regie von Nora Schlocker hier auch tot, die Sitzreihen werden freigegeben, die zwischendurch verteilten Sitzkissen von der Bühne weggeräumt, das Spiel konzentriert sich wieder auf das Zentrum, wird aber auch nicht besser, denn der Text hat einfach keine dramaturgische Substanz, es ist ein endlos durcheinander lamentierender Pseudo-Intellektuellen-Quast, der hoffentlich nicht gut gemeint war, denn dann wäre er auch noch beschämend. „Ertappt ihr euch während der Erzählung bei dem Gedanken, dass alles viel schlimmer dargestellt sei, als es in Wirklichkeit ist, dann geht von dem Gegenteil aus“, schreibt die Autorin an das Publikum – nach den zwei Stunden dürfte sich niemand ertappt fühlen und froh sein, die zwei Stunden ertragen zu haben. Elfriede Jelinek hält man problemlos länger durch.

Im Holzhandwerk-Bühnenbild von Steffi Wurster stapeln sich Waggons eines entgleisten Zugs, die verirrte betrunkene Gesellschaft (vertreten als ein Mensch namens Kafka) wurstelt weiter am Untergang des Unternehmens, für das sie nicht mehr arbeiten wollen, sie stürzen sich reihenweise vom Firmengebäude, während der rechte Kampfbund für Europa bereits 50.000 Mitglieder zählt. Die Holzwagen entpuppen sich als Zugbrücke, über die Agamemnon lamentierend in den letzten Kampf schreitet, mit Schwert und Kettenhemd und ohne Aussicht auf Erfolg. Er wird ebenso untergehen wie Kassandra, die er einst als kreatives Moment in den Aufsichtsrat von Atreus hievte, die dann aber an ihren schrecklichen Vorhersehungen verzweifelt und über das Stück hinweg als Afrikanerin folgerichtig immer schwärzer wurde, bis zum Tod. Leider war der Aufwand die Mühe nicht wert.

„Kein Science Fiction“ | Do. 8.3., 19 .30 Uhr | Kleines Haus, Düsseldorf | Infos: 0211 36 99 11


PETER ORTMANN

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