Liebe kann so schmerzhaft sein, dass sie dem Tod gleichkommt. In der Stück-Trilogie der Argentinierin Lola Arias führt sie in den Suizid. „Revolver-Traum / Striptease / Die Liebe ist ein Heckenschütze“ ist ein verstörendes Zukunftsszenario, das vom inneren Verlorensein handelt. In der Reihe „Werkstücke“ am Schauspiel Köln inszeniert es Jungregisseur Matthias Köhler als soziopathische Innenansicht. Im Bunker unter dem Hügel vorm Depot ist ein Drahtzaun gespannt. Wir betrachten die Figuren des Stücks wie Gefangene. Alle leiden an der Liebe: Sie istein Unfall, ein Heckenschütze, ein Krieg, vor allem aber ist sie Angst. In „Revolver-Traum“ wollen ein Mittdreißiger und sein One-Night-Stand die Leerstellen im Leben miteinander füllen. Sie ist sechzehn, er ihr 46. Liebhaber. Köhler lässt diese Begegnung im Dunkel stattfinden, Stromausfall inBuenos Aires. Ein Revolver soll über Realität oder Traum entscheiden. Nur der Taschenlampenkegel einer dritten Person beleuchtet Teile der Szene. Dieser Eindringling wird für den Rest des Stückes bleiben.
„Striptease“ ist dagegen ein Seelenstrip eines getrennten Paares – per Telefon. Es ist der junge Mann aus dem „Revolver-Traum“, der alle Teile miteinander verbindet. Im Halbdunkel reden sie von Schlaflosigkeit, der Vergangenheit und ganz nebenbei übers gemeinsame Kind. Alles endet in schmerzhafter Belanglosigkeit. Im letzten Teil veranstaltet Köhler dann eine Psychopaten-Show: Wir sind mitten im langjährigen Alptraum des jungen Mannes. Unter Basswummern und im Strobolicht positionieren sich vier Maskierte zum Russisch-Roulette. „Die Liebe ist ein Heckenschütze“ ist ein Selbstmordkommando, doch zuvor muss jeder sagen, warum er sterben will. Das Licht ist gleißend hell, nichts bleibt verborgen. Am Ende drücken alle ab, doch alle haben die Patrone entfernt – und damit verloren. Köhlers Inszenierung besticht durch ihre Konzentration auf die tiefgreifende Brutalität der Dialoge. Eine Welt, die implodiert: Die Realität wird zum Angsttraum und Liebe zur fiebrigen Todessehnsucht – das eindringliche Spiel aller Darsteller macht das spürbar.
„Revolver-Traum…“ | R: Matthias Köhler | Schauspiel Köln | 13.6. 20 Uhr | 0221 22 12 84 00
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