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„Habe die Ehre“
Foto: David Baltzer

Machos ohne Ehre

28. Mai 2014

Stefan Bachmann inszeniert „Habe die Ehre“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 06/14

Tee macht angeblich impotent. Könnte das der Grund sein, warum seine Frau ihn betrogen hat? Aber nein, sie ist eine Hure und nun muss sie sterben, damit die Ehre der gesamten Familie wieder hergestellt ist. In gemütlicher Machorunde – bei einer Tasse Tee – wird nun verhandelt, wer die Drecksarbeit erledigen soll. In seinem Stück „Habe die Ehre“ zieht der Jungautor Ibrahim Amir den Patriarchen von heute die Hosen runter. Der grausamen Ehrenmord-Praxis, die der mittlerweile in Wien lebende kurdische Syrer als Kind in seinem Dorf erlebt hat, begegnet er mit den Waffen der Komödie.

Nach der Erstaufführung in Wien wagt Schauspiel-Intendant Stefan Bachmann den Drahtseilakt zwischen ernstem Sujet und satirischer Entblößung frauenfeindlicher Machtstrukturen und inszeniert die, wie es im Untertitel heißt, „Parallelgesellschaftskomödie“ mit viel Tempo und Anleihen aus dem Boulevard-Theater. Ehre hin oder her, hier geht vor allem eines flöten: die Würde der testosteronhaltigen Lackaffen. Wie im Zoo hocken sie im winzigen käfigartigen Wohncontainer zusammen. Breitbeinig thront der Vater (Guido Lambrecht) mit Hauspuschen im Sperrmüll-Chick, gibt den engstirnigen Silberrücken und möchte am liebsten die Axt des Urpatriarchats schwingen – wären da nur nicht diese blöden Rückenprobleme. Also soll der Bruder ran. Der berlinerisch-großmäulige Johannes Benecke quakt beim bloßen Gedanken daran allerdings auch schon ganz bescheiden. Und der gehörnte Ehemann (Jakob Leo Stark als naive Tarantino-Gangsterkopie) fällt schon beim ersten versehentlich gelösten Schuss in Ohnmacht. Mit dem Schwiegervater, der sich eher als passiver Mord-Notar versteht, ist die Jammerlappenrunde komplett. Hinterm Kühlschrank thront Sabine Orléans als eigentliche Herrin des Hauses. Ihre Tochter im Nebenzimmer hat sie schon längst in Sicherheit gebracht.

Ganz nebenbei wird dann auch das stoische Weggucken der Mehrheitsgesellschaft thematisiert. Zwei Polizisten fallen wegen Ruhestörung ein, reden in Chaplin-Deutsch an der Familie mit (nicht genau benanntem) Migrationshintergrund vorbei und gehen wieder ohne einen blassen Schimmer. Auch wenn die Überführung des archaischen Machtgehabes in die Lächerlichkeit dank nicht psychologisierter Figuren und großartigem Ensemble gut funktioniert: Das Lachen fällt angesichts der realen Grausamkeit schwer.

„Habe die Ehre“ | R: Stefan Bachmann | 14.6. 17 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 221 28400

ROMY WEIMANN

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