Die Bühne liegt voller künstlicher Eiswürfel, die zwischen Sofa, Couchtisch und Kleiderständer immer wieder für einen unsicheren Stand sorgen. Unterkühlt oder wackelig ist dieser Abend allerdings nicht, dafür sorgen Marc Fischer und Sibel Polat, die Doğan Akhanlıs 400-Seiten-Roman „Madonnas letzter Traum“ unter der Regie von Susanne Schmelcher im Alleingang auf die Bühne bringen. Und das ist eine enorme Leistung, denn der Plot ist komplex.
Akhanlı dekonstruiert Sabattin Alis Liebesgeschichte des jungen Türken Raif Effendi mit der Jüdin Maria Puder 1936 in Berlin. Er überschreibt sie mit dem Tod Alis, verfolgt den Weg der Maria Puder weiter und beschreibt eine Begegnung mit der fiktiven Tochter Alma. Ein virtuoses Epos also, das Geschichte und Erzähltes in einen fiktionalen Strom einschmilzt – in dem Wissen, dass die Toten nur in Erzählungen lebendig bleiben. Und das ist auch das Anliegen von Regisseurin Susanne Schmelcher, die immer wieder die Namen getöteter Juden an Wände schreiben lässt.
Einerseits hebt die Inszenierung das Moment des Spielerischen, das einen Autor einer erfundenen Figur begegnen lässt und den Rausch des Fiktionalen spürbar macht. Andererseits entwickelt der Abend auch einen Sog, der einer Beschwörung gleichkommt. Es ist ein Anerzählen gegen das Vergessen. Das Vergessen der Toten, aber auch des Grauens der Geschichte. „Auch die Toten werden vor dem Feind, wenn er siegt, nicht sicher sein“, warnte Walter Benjamin einmal. Was auch immer wir uns erzählen, Geschichte oder Geschichten, es geht um Vergegenwärtigung und die Beschwörung der Toten.
Madonnas letzter Traum | R: Susanne Schmelcher | 5. - 6.11. 19 Uhr | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42
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