Ein Fahrrad. Eine Nagelbombe auf einem Gepäckträger. Am 9. Juni 2004 riss der Nagelbombenanschlag des rechtsradikalen NSU über Nacht tiefe Wunden bei den direkt Betroffenen in der Mülheimer Keupstraße. Der Terroranschlag, bei dem 18 Menschen schwer verletzt und etliche Geschäfte zerstört wurden, riss tiefe Wunden in das vertrauensvolle, friedliche Zusammenleben im durch Türken, Kurden, „waschechte“ Kölner und Imis geprägten Stadtteil Mülheim wie auch in der ganzen Stadt – nein, der gesamten Bundesrepublik. Statt die Tat und ihren rechtsradikalen Hintergrund schnell aufzuklären, schlossen Politik und Ermittlungsbehörden sieben Jahre lang einen rechtsradikalen Hintergrund aus und es rückten gar die Anwohner selber ins Zentrum der Verdächtigungen und Ermittlungen. Die Opfer wurden zu Tätern abgestempelt.
Das Kölner Schauspiel, das sich interimsweise an der Schanzenstraße eingemietet und über die künstlerische Arbeit sehr um den Kontakt zu den in der Umgebung lebenden Kölnern mit ausländischen Wurzeln bemüht hatte, reagierte auf den Anschlag mit einem herausragenden Theaterprojekt von Nuran David Calis: „Die Lücke“ basierte auf einer einjährigen Recherche des Autors und Interviews mit den Anwohnern der Keupstraße und näherte sich sehr sensibel und aufrüttelnd dem ungeheuerlichen Geschehen. Schauspieler und Betroffene stehen in „Die Lücke“ – vielleicht dem herausragenden Theaterabend der Ära Bachmann – gemeinsam auf der Bühne und zeigen auf, wie sich das Viertel durch den Anschlag und die folgende Ermittlungsposse verändert hat.
Bei dieser Vorgeschichte schien der Plan, an der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße mit einem modernen Denkmal – einer großen interaktiven Installation des Berliner Künstlers Ulf Aminde – an die Anschläge des rechtsradikalen NSU zu erinnern, mehr als angemessen und wurde allseitig begrüßt. Die Stadtverwaltung plante dann über Jahre ein 26 Meter langes Denkmal – eine Betonplatte mit einem haushohen Aufbau, der nur im virtuellen Raum per App zu sehen wäre – auf einem Privatgrundstück, allerdings – man höre und staune – ohne den Eigentümer einzubeziehen, der auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs ein Riesenprojekt mit Büros, Wohnungen und Einzelhandel entwickelt und sich von den Mahnmals-Plänen auf seinem Gelände nun völlig überrascht zeigt. So müssten die Projektentwickler zu Gunsten des Mahnmals auf ein rund 600 Quadratmeter großes Areal verzichten. Das entspricht bei einer sechsgeschossigen Bebauung 3000 bis 3600 Quadratmetern Wohnfläche, die dann nicht vermarktet werden könnten, so der Sprecher des Eigentümers. Das Aus für ein Mahnmal an der angedachten Stelle!
Eine katastrophale Panne, die dem Image der Stadt im ganzen Land erheblichen Schaden zufügt und bei den Betroffenen alte Wunden aufreißt. Wieder einmal hat sich die federführende Kölner Kulturverwaltung mit der Dezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach an der Spitze bis auf die Knochen blamiert. Ob sich das Denkmal an dem einzig verblieben Alternativstandort an der Keupstraße jemals realisieren lässt, ist fraglich, denn auch dieses Grundstück gehört der Stadt nicht. Sollte es Köln nun tatsächlich geschafft haben sich selber ein Mahnmal der Schande und des eigenen Versagens zu setzen?
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