Mittwoch, 10. Dezember: Unter dem Label „ifs-Begegnung“ Junger Deutscher Film wurde im Filmforum das Langfilmdebüt von Regisseur Damian John Harper rund anderthalb Monate vor seinem offiziellen deutschen Kinostart vorgestellt. Das musste zunächst einmal verwundern, denn Regisseur Harper wurde in Boulder, Colorado, geboren. Zudem merkte Moderator Sebastian Ko an, dass „Los Ángeles“ „kein typisch deutscher Nachwuchsfilm ist, da er in Mexiko auf Spanisch und Zapotekisch gedreht wurde“. Und dennoch stimmt diese Kategorisierung, denn der Film entstand ausschließlich mit deutschen Geldern, was Jonas Weydemann von der Produktionsfirma „Weydemann Bros.“ im anschließenden Publikumsgespräch erläuterte. Regisseur Damian John Harper konnte an der Veranstaltung nicht teilnehmen, da er mittlerweile in Paris wieder mitten in einer neuen Projektentwicklung steckt. Er und die Brüder Weydemann hatten sich beim Max-Ophüls-Festival in Saarbrücken kennengelernt, wo Jonas Harpers Kurzfilm „Teardrop“ gesehen hatte, dessen Inhalt schon einige Parallelen zu „Los Ángeles“ aufweist.
Grundlage für beide Filme und die Liebe des Regisseurs zu der indigenen Bevölkerung im Süden Mexikos ist eine Reise, die der Filmemacher als Anthropologe im Jahr 2000 nach Santa Ana Del Valle in der Provinz Oaxaca unternahm. Damals studierte er die gesellschaftlichen Strukturen des Ortes, erhielt Kost und Logis und verpflichtete sich im Gegenzug, den Einwohnern beim Erlernen der englischen Sprache behilflich zu sein. Die hat sich im Laufe der letzten Jahre für die Südmexikaner als ungemein wichtig erwiesen, da die arbeitsfähigen männlichen Gemeindemitglieder fast alle illegal in die USA auswandern, um von ihren Verdiensten dort die Daheimgebliebenen zu finanzieren. Dieses ungewöhnliche System wird in „Los Ángeles“ thematisiert, der zunächst als Dokumentation geplant war, dann aber doch als Fiktion realisiert wurde. Der Unterschied ist allerdings marginal, da sich die Besetzung ausschließlich aus Bewohnern von Santa Ana Del Valle zusammensetzt und im Film lauter Geschichten erzählt werden, die sich real ereignet haben. Damian John Harper, ein Absolvent der Münchner Filmhochschule, hatte das Drehbuch dazu zwar bereits in Deutschland geschrieben, der Feinschliff wurde dann allerdings mit den Leuten vor Ort in Mexiko entwickelt. Denen wurde das Drehbuch zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Stattdessen erarbeitete man die Dialoge gemeinsam auf Spanisch, obwohl sie im Film dann aber überwiegend auf Zapotekisch gesprochen wurden. Da Harper dieser lokalen Indigenensprache nicht mächtig ist, musste er hier permanent mit einem Übersetzer arbeiten.
Jonas Weydemann kommentierte hierzu in Köln: „Unser Hauptziel war, den Großteil des Budgets dafür auszugeben, dass wir viel Zeit mit den Beteiligten vor Ort verbringen können.“ Deswegen gönnte man sich knapp dreimonatige Dreharbeiten, in denen man dann auch Zeit für aufwändige Plansequenzen hatte, deren Choreographie einen halben Tag beanspruchen konnte. Diese Leidenschaft hat sich ausgezahlt, denn First-Steps-Award-Gewinner Harper konnte mit „Los Ángeles“ auch schon auf dem Guadalajara Mexican Film Festival den „Mayahuel Award“ für das beste Debütwerk in Empfang nehmen. Dass es bei den Dreharbeiten aufgrund der Gang-Strukturen vor Ort gefährlich werden konnte, fürchteten die Filmemacher nicht. Im Süden Mexikos spielen die Drogenkartelle keine ganz so große Rolle wie im Norden, und durch die langjährige freundschaftliche Bindung des Regisseurs zu den Dorfbewohnern konnte man sicher sein, die ganze Community hinter sich zu haben. Dazu noch einmal Weydemann: „Zapotekische Gemeindestrukturen haben auch den Gangs gegenüber Einiges zu sagen.“ Damian John Harpers zweiter Spielfilm soll nun in seinem Heimatstaat Colorado spielen und 2015 realisiert werden.
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