Diese Mörder erinnern sich gern an ihre Taten. Zwei sind davongekommen, eine nicht. Der Mann (Mohamed Achour) hat sich vertrauensselig ins Publikum gesetzt. Ein White-Collar-Worker, von dessen Arbeitskluft noch die Weste geblieben ist und der plötzlich zu erzählen beginnt. Der Stress in der Firma, die drohende Kündigung und dann der Schubser der eigenen Tochter unter die Decke. Erstickungstod. Der Mitleidsbonus hat geholfen, den Job zu behalten. Der Mann ist freundlich, ohne sich anzubiedern, erklärt dem Besucher nur das Unerklärliche. Und darin liegt das Bedrohlich von Neil LaButes kleiner Trilogie „Bash – Stücke der letzten Tage“. Sie versammelt drei Protagonisten, allesamt religiös, die Morde begehen und keinerlei Reue oder Schuld zeigen. Neben dem Vater, prügelt ein Student mit zwei Kumpanen einen Schwulen tot und eine junge Frau, die von ihrem Collegelehrer geschwängert wurde, tötet das gemeinsame Kind.
Nele Cleo Liekenbrock inszeniert LaButes Trilogie in der engen Grotte des Schauspiel Köln als kleine Etude von Nähe und Schuld. Die Verbrüderung der Darsteller mit dem Publikum wird zur Herausforderung für das Distanzierungsbedürfnis des Publikums. Nils Hohenhövel als Jo deutet zwar mit Springerstiefeln seine Gesinnung an, doch die Begeisterung für die kleine Gemeinde-Party in Manhattan, die Liebeserklärungen an seine Freundin Sue, die überwältigende Großstadterfahrung nimmt den Betrachter für ihn ein – bis zum brutalen Mord, nachdem alle gut gelaunt frühstücken gehen. Es sind Menschen, die zu überleben versuchen, einen guten Job wollen und eine Familie – wie wir alle. Der Mord ist die quantité négligeable auf dem Weg dorthin. Wie für die junge Frau, die nach Jahren noch emphatisch von ihrer großen Liebe zu dem Collegelehrer erzählt, der sie mit 13 geschwängert und dann verlassen hat. Annika Schilling versieht die Oberfläche ihrer guten Laune mit einer Teflonschicht, die undurchdringlich in ihrer begeisterten Abgeklärtheit ist – bis sie nach einem Widersehen nach Jahren den Toaster ins Badewasser zu ihrem Sohn gleiten lässt. Ein wenig mehr Abgrund, ein Schimmern des Bösen in der Freundlichkeit hätte dem handwerklich guten Abend allerdings durchaus gut getan.
„Bash“ | R: Nele Cleo Liekenbrock | 26.1. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00
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