Das dritte Community-Meetup im Colabor war am Donnerstag als „Foodie Edition“ ganz dem Thema Ernährung gewidmet. Damit kam auch für den seit bald vier Jahren bestehenden Ehrenfelder Coworking-Space der Aktionsmonat „Köln isst joot“ zu einem Abschluss, den man mit Workshops und mit Informationsveranstaltungen für Gründer begleitet hatte. So gab es am Wochenende die Chance, die eigenen Ansätze für eine „Ernährungswende“ in einem dreitägigen „ChangeMakerSpace“ in vier Gruppen zu entwickeln, wozu auch aus dem Umland viele angereist waren. Die Chance, ihre Ideen an einem Werktag beim Meetup am offenen Mikro kurz vorzustellen, um Gleichgesinnte zu finden, wurde allerdings vorwiegend von Kölnern mit kurzer Anfahrt genutzt.
Zwei der vorgestellten Projekte kamen aus dem Bereich der „Solidarischen Landwirtschaft“ (kurz Solawi), wo die landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht mehr über den Markt beim Konsumenten landen, sondern eine direkte „solidarische“ Zusammenarbeit zwischen Erzeuger und Konsument stattfindet. Das funktioniert bereits an vielen Stellen in Deutschland: Für mindestens je ein Wirtschaftsjahr bestimmen Konsumenten mit, was mit welchen Methoden angebaut wird, und finanzieren den Betrieb, wozu die Landwirte die entsprechenden Pläne, Vorschläge und Informationen vorlegen. Die Gemeinschaft unterstützt die von Planungssicherheit profitierenden Landwirte u.a. bei „Arbeitsspitzen“. Die Verbraucher wissen später, woher ihr frisches Gemüse kommt und wie es angebaut wurde. Neben der 2013 gegründeten Solidarischen Landwirtschaft Köln e.V., die mit Anbauflächen in Köln-Lövenich (2000qm) und Stommeln auch ein Vorbild sein will, ist gerade die Gemüsekoop mit inzwischen 20 aktiven Teilnehmern und insgesamt etwa 120 Mitgliedern dabei, die Pachtung von zunächst 2,5 Hektar Land in Lövenich zu planen. Beide Initiativen, hier vertreten von Thorsten und Julia, suchen noch Mitglieder für das anstehende Wirtschaftsjahr ab November und organisatorische Unterstützung im Aufbau.
Die vielbeschäftigte Katharina Schwartz stellte neben der Klimaschutz Community Köln – Margarine ist übrigens klimafreundlicher als Butter! – noch einmal die bereits erfolgreiche Food Assembly vor, die regionalen Produzenten die Direktvermarktung mittels einer Internetplattform erlaubt. Bezahlt wird online, die Abholung an einem festen Ort ist einmal in der Woche nach Feierabend vorgesehen. „Die Leute können Sachen bestellen wie Brot von einem Bäcker aus Hennef, Gemüse von Landwirten aus Kerpen und aus der Eifel – nachhaltig und sozial hergestellte Lebensmittel.“ Man habe damit Transparenz in die Lebensmittelvermarktung gebracht, und die weniger gewordenen Landwirte könnten Produkte zu Preisen verkaufen, die das Auskommen sichern.
Finden Sie in der Mittagspause in der Stadt auch so wenig frisches und gesundes Essen? Die Gründerin Stefanie will mit happyrolls Abhilfe schaffen, „das sind Reispapierrollen – wie ein durchsichtiges Wrap kann man sich das vorstellen, darein kommt in der vietnamesischen Küche frisches rohes Gemüse, in der koreanischen Küche wird alles angebraten. Ich habe mich gefragt, wie kann man Fastfood leckerer, inspirierender, gesünder machen? Ich habe in meinen Rollen ganz viel frisches Bio-Gemüse, frische Kräuter, Nüsse, so dass man ein Erlebnis beim Essen hat.“ Derzeit im Bereich Catering und Steeetfood-Festivals unterwegs, suche sie Möglichkeiten, das Projekt mit Partnern größer zu machen. Fürs Erste habe sie es „einfach mal gestartet“.
Der auf Zypern geborene Jason sprach über die begrenzte landwirtschaftliche Fläche für eine wachsene Weltbevölkerung. Es sei nötig, von der „linearen Wirtschaft“ zu geschlossenen Kreisläufen zu kommen, Abfallprodukte also für neue Produkte zu nutzen. Die Idee sei es, in Großstädten mit einem „Indoor Urban Agriculture“-Konzept zu zeigen, dass geschlossene Wirtschaftskreisläufe funktionieren und profitabel sein können. „Die Leute können davon entweder lernen, wie sie selbst zuhause etwas Pflanzen können oder einen Gemeinschaftsgarten zum Beispiel auf dem Dach starten, wobei wir sie unterstützen. Wir wollen das fachlich vermitteln und den Leuten ermöglichen, es zu kopieren.“ Man sei auf einen Multiplikatoreffekt aus und wolle dafür u.a. leerstehende Räumlichkeiten in größeren Gebäuden nutzen.
Sofia sprach über das in NRW von ihr nebenberuflich koordinierte Projekt Klasse Klima, das in die Schulen geht mit dem Ziel, „bei den Kindern und Jugendlichen das Bewusstsein für Klima, Klimawandel, klimafreundliches Leben und Nachhaltigkeit zu stärken“. Darin stecke viel Potential, zumal sie selbst festgestellt habe, „dass das Bewusstsein bei Kindern teilweise sehr sehr gering ist, wo zum Beispiel die Tomate, die im Supermarkt liegt, herkommt, und dass sie nicht wissen, was für einen enormen Einfluss Ernährung auf die Umwelt hat oder wie sie auch mit Flucht zusammenhängen kann.“ Die von ihr fachlich und organisatorisch unterstützten Freiwilligen hätten sehr viel kreativen Freiraum, man koche zum Beispiel mit den Kindern ein „klimafreundliches Menü“. Dabei wolle man ihnen mit praxisrelevanten Dingen „auf Augenhöhe begegnen, was leider an vielen Schulen leider nicht wirklich vorkommt“. Interessenten könnten gern mal mitmachen.
Abschließend erzählte die zeitweise in Marokko aufgewachsene Französin Najett, die als Journalistin und auch in der Gastronomie gearbeitet hat, sie habe damals in Marokko gelernt, Brot, das weggeschmiseen wird, vorher zu küssen. „Ich lebe jetzt in Deutschland und ich sehe ständig, wie Essen weggeschmissen wird. Und das macht mich regelrecht wahnsinnig.“ Nun habe sie im Workshop gelernt, sie könne gegen die Verschwendung wohl am besten kämpfen, indem sie sich für eine „optimale Lebensmittelnutzung“ einsetzte. In dem Sinne suche sie Leute, die an einigen Ideen mitarbeiten würden. Ähnlich äußerte sich eine Teilnehmerin, die ebenfalls viele Jahre in Restaurants gearbeitet und sehr darunter gelitten habe, was sich dort abspiele. Bei einem Besuch in Berlin habe sie die Inspiration gefunden, eigene Ideen zu entwickeln, um Nahrungsmittel zu retten, darunter etwas von den fast 30 Prozent der Weltproduktion, die wegen Fehlern im Aussehen gar nicht erst auf den Markt kämen. Sie wünsche sich pädagogische Restaurants, die genau mit dieser Ausschussware kochen und auch Kinder als Kunden ansprechen.
Der Abend endete mit regen Gesprächen. Derweil haben die beim ersten Meetup im Januar vorstellig gewordenen Initiativen diverse Erfolge vermeldet: Die Initiative #RingFrei hat in Köln die Diskussion um den Radverkehr schon deutlich vorantreiben können, ökoRausch war in Hamburg und plant internationale Workshops in Isreal und Palestina, Wilma in der Wurmkiste hat den HelferHerzen-Preis von dm gewonnen, The Good Food eröffnet Läden in der Körner- und der Maybachstraße – um nur Beispiele zu nennen.
Info: Solidarische Landwirtschaft Köln e.V. solawikoeln.wordpress.com | Gemüsekooperative Köln www.gemuesekoop.de | Food Assembly foodassembly.de | happyrolls www.happyrolls.de | Klasse Klima klasse-klima.de | Colabor www.colabor-koeln.de
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