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David Hockney, A Closer Winter Tunnel, February – March, 2006, Öl auf 6 Leinwänden, 183 x 366 cm © David Hockney, Collection Art Gallery of New South Wales, Sydney
Foto: Richard Schmidt

Natur und Kunst

29. November 2012

David Hockney stellt im Museum Ludwig aus – Kunst in Köln 12/12

Viel persönlicher geht es kaum. David Hockney, der große britische Maler, der gemeinhin der Pop Art zugerechnet wird und nach Jahrzehnten in Kalifornien seit 2000 wieder in England lebt, war für zwei Wochen in Köln, um am Aufbau seiner Ausstellung mitzuwirken, und gewiss auch, um die Bilder in ihren neuen Nachbarschaften zu erleben. Hockney liegt an der Perspektive, den feinen Verschiebungen, die aus der Umgebung resultieren, noch dazu im vermeintlich Immergleichen. Seine Bilder zeigen die Landschaft im Osten von Yorkshire, dort, wo er auch aufgewachsen ist: die Wege und die Bäume am Straßenrand; Felder, die von einer Anhöhe abfallen; das Laub mit seinen Färbungen. Hockney malt voller Hingabe auf der Staffelei draußen in der Natur, er fertigt zudem Skizzen in Kohle an und setzt das im Atelier als monumentale, aus mehreren Tafeln bestehende Gemälde um. Und er malt in der Landschaft sogar auf dem Touchscreen des iPads, erreicht mittels spezieller Programme eine Leuchtkraft und Dynamik, die von wolkig amorphen Partien unterlegt ist. Auf diese Weise könne er im Moment der Inspiration malen, sagt David Hockney. Kasper König, der als Direktor des Museum Ludwig mit Hockney seine letzte Ausstellung bestreitet, betonte bei der Pressekonferenz das Unvoreingenommene, welches durch diese Methode zum Ausdruck komme. Natur und Künstlichkeit bilden eine Einheit, die genau das zeigt, was da ist, es stilisiert und vereinfacht und dadurch Strukturen und Gesetzmäßigkeiten der Landschaft aufdeckt.

Aber Hockney speichert mit dem iPad auch den Malvorgang als sukzessiven Prozess: Wir werden zu Zeugen der Bildwerdung. Im Museum Ludwig hängen die Monitore nun wie die Tafelbilder als Gegenüber an der Wand; hinzu kommen riesige Ausdrucke dieser indirekten Malereien. Und Hockney zeigt in der Ausstellung, die mit neuesten Paraphrasen nach Claude Lorrain beginnt und mit einer Videowand mit Jongleuren endet, auch Videos, welche die Landschaft synchron aus unterschiedlichen Winkeln in der langsam schreitenden Vorwärtsbewegung wiedergeben. Dabei verschieben sich die Ausschnitte, wird das Geschehen enorm plastisch, mithin dreidimensional. Die Zentralperspektive ist hier wie bei den „reinen“ Malereien das Maß der visuellen Erfassung.

Tradition der Landschaftsmalerei
David Hockney schafft Ruhe in der Fülle an Details. In seiner Malerei auf Leinwand ordnet er das landschaftliche Geschehen und klärt es geradezu plakativ. Er malt Blattwerk und Gräser als Fläche auf der Fläche und lässt das Geschehen doch wie eine Bühne aus Vorder-, Mittel- und Hintergrund in die Tiefe klappen. Äste ranken sich durch das Bild oder Zweige flirren an den Baumstämmen. Zumal Hockney auf die Darstellung von Menschen und Häusern verzichtet, könnte man fast von unberührter Natur sprechen. Immer wieder finden sich ornamentale Elemente, Landschaftsstreifen verlaufen nebeneinander, die Felder sind breit gerastert. Und die Natur besitzt übersteigert glühende Farben. Verwandtschaften zu Gauguin und zum Jugendstil scheinen auf. Aber Hockney, der so intensiv mit Perspektive und dem Wechsel des Blickpunktes arbeitet, ist in seiner Kunst doch ganz anders, eigen schon im Spektrum der malerischen Lösungen, die er souverän beherrscht. Der Duktus lässt sich ebenso ablesen wie die Faktur im Malauftrag. Dadurch entstehen Bilder von unverbrauchter Frische.

Mit seinen Bildern schließt David Hockney an die Tradition der englischen Landschafts- und Naturbetrachtung an. Da sind die Landschaftsmaler des 18. und 19. Jahrhunderts von Constable bis Turner – Hockney selbst nennt John Martin –, und das setzt sich mit anderen Mitteln, derer sich ja auch Hockney experimentell bedient, bis in die Gegenwart fort, etwa mit den fotografisch und typographisch dokumentierten „Walks“ von Richard Long und Hamish Fulton. Und wie diese konzeptuell orientierten Künstler ist David Hockney ein genauer Chronist. Er malt über lange Perioden an denselben Stellen in der Natur und hält so die tages- und jahreszeitlichen Verschiebungen fest, verdeutlicht noch den Wandel von Licht und Färbungen, hat dazu die einzelnen Bilder datiert.

Ein Anliegen von Hockney wird es gewesen sein, die Aura dieser Gegend festzuhalten. Ja, die Felder haben wirklich diese Tonalität, ja, genau so dehnt sich die Landschaft aus, verläuft ihr Gefälle. Auch die Bäume mit ihrem Blattwerk scheint es nur hier so zu geben – war man schon mal in dieser Gegend, knapp 20 Kilometer von Scarborough und der Küste entfernt, so ist man verblüfft über die Genauigkeit der Erfassung, den enormen Wiedererkennungswert. Das macht etwas nachdenklich. Denn wo beginnt die Illustration, wann kippt die Vitalität der Empfindung ins grafische Kalkül? Und dann ist da im Museum Ludwig diese enorme Menge an Bildern, die einen von allen Seiten umfangen. Doch erst das macht für das Sensationelle, Großartige der Natur, um das es Hockney geht, bewusst. Natürlich ist die Ausstellung ein existentielles Anliegen: Hockneys Malereien und Videos saugen die Phänomene der Landschaft in sich auf und geben sie in vollkommener Schönheit wieder. Man ist hin- und hergerissen – und froh, diese Ausstellung gesehen zu haben.

„David Hockney – A Bigger Picture“ | bis 3.2. | Museum Ludwig | www.museum-ludwig.de

Thomas Hirsch

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