Die einen suchen Speicher für grünen Strom, die anderen nach Ideen, wie man Werte des Auslauf-Bergbaus mit Sinn und Gewinn nutzen kann. Wissenschaftler der Ruhrgebiets-Universitäten und die RAG schauen nun in die Tiefe: Mit Pumpspeicher-Kraftwerken in Bergwerken soll möglichst Windenergie verfügbar gehalten werden – aus der Region und für die Region. Im Fokus stehen insbesondere zwei Revierzechen.
1.159 Meter unter der Erde eröffnete Bottrops OB Bernd Tischler im vergangenen Mai „Prosper-Haniels“ siebte Sohle. Noch einmal hatten die Steinkohle-Herren von der RAG Geld in die Hand genommen und neue Abbaufelder erschlossen. Rund 100 Mio. Tonnen lagern hier. Man wird sie allerdings nur noch zum Teil ausbeuten können, denn: Ende 2018 ist Feierabend mit dem Steinkohlebergbau. Bund und Länder wollten den ständig subventionshungrigen Energieträger nicht länger alimentieren.
Blickwechsel, 40 Kilometer nach Südosten. Frühmorgens liegt der Wasserspiegel am Herdecker Hengsteysee noch gut 70 Zentimeter tiefer. Eineinhalb Millionen Kubikmeter Ruhrwasser sind nachts mit billigem Strom in ein 160 Meter höher liegendes Becken gepumpt worden. Bei Bedarf rauschen die Wassermassen durch mehrere Rohrleitungen wieder seewärts und erzeugen über eine Turbine teuer verkaufbaren Spitzenlaststrom. Vier Stunden ist das RWE-„Koepchenwerk“ so für bis zu 153 Megawatt Leistung gut. Übrigens schon seit 1930. Und solche Speicherwerke braucht es viele, damit wegen der schwankenden Verfügbarkeit von Sonne und Wind Strom auch dann fließt, wenn er gebraucht wird.
Wieder ein Schwenk westwärts, nach Essen. Dort diskutierten jüngst Dutzende kluge Köpfe der Revier-Unis, aus Steinkohlebergbau sowie von Land und Kommunen die Frage, ob Pumpspeicherkraftwerke unter Tage eine Chance für das Ruhrgebiet bedeuten könnten. „Das Fragezeichen muss man jetzt durch ein Rufzeichen ersetzen“, bilanziert Prof. André Niemann (Uni Duisburg-Essen) die Expertentagung: „Wir sind konkret aufgefordert, einen Standort zu suchen und eine Pilotanlage zu konzipieren. Jetzt kann’s losgehen.“
Weltweit noch nirgendwo ausprobiert, verfolgen Forscher und RAG eine innovative Idee. Statt von einem oberirdischen Becken ins andere zu strömen, könnte Wasser auch durch Rohre in Förderschächten 1.000 Meter tief auf mehrere Turbinen stürzen und dort Strom erzeugen. Aus dem Groß-Speicher untertage pumpt man das Wasser wieder hoch, sobald Strom billig ist. Platz ist im durchlöcherten Berg jedenfalls vorhanden: Ein Kilometer Transportstreb füllt sich locker mit 40.000 Kubikmetern Speichermedium, und solche Kilometer hat die RAG reichlich in petto. „Kleinere Anlagen könnten 8.000 Haushalte für einen Tag mit Strom versorgen“, hat Niemanns Kollege Prof. Eugen Perau errechnet. „Und größere auch 250.000 Haushalte – das wäre ganz Essen.“
Nun konzentrieren sich die Machbarkeits-Überlegungen auf zwei Bergwerke, die noch in Betrieb sind. „Prosper-Haniel“ in Bottrop und „Auguste Victoria“ in Marl haben ihre speziellen Reize – „schöne Tiefen“ und vor allem das intakte Technikinventar. Denn große Turbinen und Generatoren lassen sich nicht eben mit Flaschenzügen auf die sechste Sohle bringen. Wo aber Bergleute noch bis 2018 herumwuseln, kann man in aller Ruhe nach Lösungen und Komponenten fahnden. Und weil übertage nur kleine Anlagen nötig sind, würden solche Prozesse auch kaum durch Bürgerproteste blockiert. „Der unschätzbare Vorteil der RAG ist, dass sie über genehmigte Industrie- und Gewerbestandorte verfügt“, sagt der Sprecher des NRW-Umweltministeriums, Frank Seidlitz. „Dort kann man viel leichter und konfliktfreier agieren.“
Konflikte könnte es auf einer ganz anderen Ebene geben. Denn wenn Pumpspeicherwerke rentabel laufen sollen, sind sie auf ein möglichst großes Preisdelta zwischen Pump- und erzeugtem Strom angewiesen. In Nächten, wo – bei entsprechender Wetterlage – schon jetzt Wind- und andere Energien umsonst oder gar zu negativen Preisen (sprich: mit Geldzugabe) abgegeben werden müssen, kann man sich vortrefflich bedienen und anderntags teuer verkaufen. Doch was, wenn so Atom- und Kohlestrom „eingelagert“ und anschließend zu „Grünstrom“ umetikettiert würde? Thomas Duveau von der Umweltschutzorganisation WWF verweist etwa auf Vattenfall, dessen thüringisches Wasser-Speicherkraftwerk Goldisthal mit überschüssigem Braunkohlestrom gefüllt wird. Deutschlands einziges Druckluftspeicherwerk Huntorf in Niedersachsen veredelte jahrzehntelang Energie, die vom AKW Unterweser stammte.
Ein Unding, meint NRW-Umweltminister Johannes Remmel, und sein Sprecher Seidlitz glaubt, „das würde wohl auch unter unlauteren Wettbewerb fallen.“ RAG-Sprecher Frank Kremer hingegen versichert, man wolle „diese Batterien schon mit Erneuerbaren Energien füllen – und das heißt für uns vor allem Windkraft.“ Angesichts der Mühen, die sein Konzern unternimmt, um sich als neue „grüne RAG“ mit Windanlagen auf Halden, Biomasseparks wie in Gelsenkirchen oder der Wärmegewinnung aus Grubenwasser (wie mit den Stadtwerken Bochum) zu profilieren, scheint das Bekenntnis plausibel. Wie es tatsächlich läuft, wird man wohl ab 2019 betrachten können.
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