Eigentlich hätte das Buch „Segen der Erde“ zur Bibel der grünen Fundamentalisten werden müssen. Doch der braune Schmierfilm, der sich über die Jahre auf dem Autor Knut Hamsun abgelagert hatte, wollte einfach nicht weichen. Sein Eintreten für die Nazis und für Hitler selbst nach 1945 ächtet den Schriftsteller bis heute. Noch vor sechs Jahren entbrannte in Norwegen ein Streit, ob man anlässlich seines 150. Geburtstages einen Platz nach ihm benennen darf. Das allerdings ändert nichts daran, dass seine wichtigen Romane, die alle vor 1933 erschienen sind, zur literarischen Moderne gehören. „Segen der Erde“, im letzten Jahr des Ersten Weltkrieges veröffentlicht, schildert das Leben des Bauern Isak, der in quasi urväterlicher Archaik das Land urbar macht, es bestellt und sich langsam einen Hof zurechtpflügt. Zu seiner Frau wird die wegen ihrer Hasenscharte geächtete Inger, die ihm mehrere Kinder gebiert. Als eines auch eine Hasenscharte hat, tötet sie es und muss für sechs Jahre ins Gefängnis. Isak pflügt weiter seine Äcker. Ingers Rückkehr aus der „Zivilisation“ gerät mühsam, einer der Söhne wandert nach Amerika aus, doch Isak ist von keinen Ängsten, weder von Zivilisationskritik oder Glaubenszweifeln angekränkelt, sondern ruht in sich selbst. Klar, dass die Nazis davon ihren Blut-und-Boden-Wahn befeuert sahen. Doch Hamsuns kunstvolle Einfachheit in der Sprache, seine erzählerischen Perspektivwechsel machen aus dem Roman mehr als nur reaktionären Antizivilisationskitsch. Regisseur Robert Borgmann, der in der vergangenen Spielzeit Tarkowskis Film „Andrej Rubljow“ dramatisiert hat, versucht sich an Hamsuns Klassiker.
Während die Norweger sich problembeladen präsentieren, kommen die Schweden im Mai mit einer konzeptionellen Breitseite nach Köln. Das Festival theaterszene europa, das alljährlich in der Studiobühne stattfindet, bringt diesmal die freie Szene unserer blau-gelben Nachbarn mit Gästen aus Berlin, Hildesheim oder München zusammen. Das Backa Teater aus Göteborg stellt die Frage nach der Güte? Was soll man mit einem solch altertümlichen Begriff anfangen? Lässt sie sich damit in einer auf Eigennutz ausgerichteten Gesellschaft überhaupt finden? Basierend auf Interviews mit jungen Europäern geht die Gruppe in ihrer Performance „Acts of Goodness“ diesen Fragen nach. In Riddarhyttan, etwa 150 km nordöstlich von Stockholm, wohnt und arbeitet die Gruppe Teatermaskinen, die seit 1997 als genreübergreifendes Kollektiv Performance, Tanz, Musik, Lyrik auf die Bühne bringt. Ihre Tanz-Video-Performance „No More“ nimmt einen Text von Marguerite Duras als Ausgangspunkt für eine Meditation über das Künstlerdasein. Überhaupt steht in diesem Jahr beim Festival theaterszene europa die Tanzperformance hoch im Kurs. Neben dem Stockholmer Duo Krogh/Lichtenstein und seinem Genderstück „Rosa Brus“ denkt die Berliner Gruppe post theater in „LifeNet“ die Theorien von Tanzpionier Rudolf von Laban weiter oder die Kölner Gruppe Tripletrips offeriert ihren „Meat Market“ als reflexive Fleischbeschau.
„Segen der Erde“ | R: Robert Borgmann | Schauspiel Köln | Fr 29.5. 19.30 Uhr | 0211 22 12 84 00
„theaterszene europa – ein schwedisch-deutsches festival“ | Studiobühne Köln | 23.-30.5. | 0211 470 45 13
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