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So dunkel wie sie momentan scheinen, sind die Solarstrom-Aussichten im Rhein-Ruhr-Gebiet ganz und gar nicht. Die Städte verfügen über reichhaltige Potenziale – sie müssten nur viel besser genutzt werden.
Foto: Abakus

Riesige Solar-Potenziale – doch die Nutzung ist dürftig

29. August 2013

Eine Studie des Landesumweltamtes belegt: So gut wie alle Ruhrgebiets-Kommunen agieren weit unter ihren Möglichkeiten – Innovation 09/13

Da haben sie gestaunt in Gelsenkirchen. Vor die Zukunftswahl gestellt, ab 2014 vertraglich mit RWE im Boot zu bleiben oder ein eigenes Stadtwerk zu gründen, gab man (natürlich) eine Expertise in Auftrag. Neben dem erhofften Fingerzeig kam aber ein verblüffendes Nebenprodukt zu Tage: Die Berater von BDO analysierten nämlich auch Potenziale, die die Stadt aus ihren erneuerbaren Energiequellen schöpfen könnte. Anfang 2011 bezifferten die Fachleute allein die wirtschaftlich erschließbaren Chancen der Photovoltaik auf 193 Mio. Kilowattstunden pro Jahr. Es langt, um 55.000 Familienhaushalte zu bedienen. Der Status Quo ernüchterte allerdings: „Um dieses Potenzial in den nächsten 30 Jahren nutzbar zu machen“, bilanzierte BDO, „ist ein jährlicher Zubau von 7,5 MW Anlagenleistung erforderlich.“ So viel, wie man bis dahin in 18 Jahren auf die Dächer brachte.

Wie sich jetzt zeigt, steht die „Solarstadt“ Gelsenkirchen damit noch im Mittelfeld der Revier-Großstädte. Anfang Juni stellte NRW-Umweltminister Johannes Remmel eine Studie des Landesumweltamtes vor. Ihr Fazit: Bis auf wenige Ausnahmen agieren bei der Nutzung solarer Energie für Strom und Wärme alle Revier-Kommunen erheblich unter ihren Möglichkeiten. Der Minister formulierte es freundlicher: „Die Studie zeigt deutlich, welch enormes Wachstumspotenzial im Energieland Nummer Eins bei der Photovoltaik besteht.“

Neben den großen Flächen warten unzählige private Dächer auf solare
Erschließung. Foto: Tom Jost

„trailer Ruhr“ hat 22 Städte des engeren Ruhrgebiets sowie die Landeshauptstadt Düsseldorf miteinander verglichen. In diesem Ranking wird jede Kommune mit der realen Solarstrom-Leistung pro Einwohner/in bewertet, ferner mit der bisherigen Ausnutzung ihrer Chancen. Tabellenführer ist eine ländliche Randgemeinde: Haltern am See. Dort weist man jedem Bürger 270 Solar-Watt zu und hat die Möglichkeiten immerhin zu 14 Prozent genutzt. Die „rote Laterne“ hält Duisburg mit 20 Watt und 1,1 % Potenzialausbeute. In der „ersten Liga“ findet sich mit der „Innovation City“ Bottrop (Platz 4) lediglich eine Großstadt, es folgen Dortmund (14.), Mülheim (16.), Gelsenkirchen (17.), Bochum (18.), Herne (19.), Oberhausen (21.) und Essen (22.). Die betuchte Landeshauptstadt Düsseldorf kommt nicht über Platz 20 hinaus.

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Wo liegen die derben Unterschiede begründet? Ländliche Revierrand-Gemeinden sind im Vorteil, wo häufig Landwirte ihre Betriebsdächer mit Solarmodulen bestücken. Ein Dutzend gewiefter Bauern treibt da den Schnitt pro Einwohner enorm in die Höhe. Umgekehrt werden die Mega-Anlagen in den Großstädten verortet: Bochums „Hannibal“-Einkaufszentrum kommt auf gut 1.000 kWp Leistung, Duisburgs „Logport“ am Hafen notiert sogar 1.200 kWp. Es muss also andere Gründe geben.

„Haltern ist ein Wohnort für Leute mit gutem Einkommen und vielen Eigenheimen“, sagt Stadtwerke-Sprecher Thomas Liedtke. Außerdem habe die Stadt diverse Dächer zur solaren Nutzung bereit gestellt und gebe es eine Bürger-Energiegenossenschaft, die Engagement mit kleinem Geld möglich mache. Seit einem Jahr hat sich der Zubau verlangsamt. Gegenwärtig interessiere man sich verstärkt für Wohndach-Lösungen zum Eigenverbrauch.

In Duisburg stellte die Stadt ebenfalls kommunale Dächer zur solaren Nutzung gegen Pacht parat. Allerdings unter weltfremden Ertrags-Annahmen: „Jährlich 500.000 Euro sind erwartet worden“, sagt Umweltdezernent Dr. Ralf Krumpholz, „inzwischen sind wir bei 50.000 gelandet.“ Allerdings setze man im Klimaschutz andere Prioritäten. Ein altes Kohlekraftwerk endlich außer Betrieb zu nehmen, entlaste die Emissionsbilanz auf einen Schlag deutlich. Dennoch müsse jetzt politisch diskutiert werden, wie man sich energetisch neu aufstelle. Im eigenen Fachbereich wird Krumpholz jedenfalls genug Arbeit finden: Dem Vernehmen nach hatte eine Schuldach-Solaranlage bis zum Bau vier Jahre gebraucht …

Die zweitbeste Großstadt Dortmund fällt durch die kleinste durchschnittliche Anlagengröße aller 23 Kommunen auf. Das deutet auf gute Bürgerbeteiligung. Und tatsächlich – Dortmund hat früh mit einem Förderprogramm 500 Solarstromanlagen unterstützt. Außerdem 170 Schuldächer angeboten, auf denen in der Folge Hunderte privater Solarstrom-Blöcke entstanden. Und wo liegen noch die Potenziale? Das Interesse der Eigner von Mehrfamilienhäusern zu wecken, sei wichtig, sagt Eike Albertz vom Umweltamt. „Aber auch schwierig. Umgekehrt gibt es jetzt viele Betriebe, die von den Selbstverbrauch-Möglichkeiten begeistert sind. Und schließlich haben wir noch Flächen: an den Autobahnkreuzen und auf Hallen der Logistik-Unternehmen. Da muss man wieder eine neue Kampagne starten …“

Voraussetzung sei aber eine Politik, die die Solarenergie nicht feindlich betrachte und vollends abwürge, sagt Christof Kiesel von der Gelsenkirchener Abakus AG: „Sonst lohnt sich gar nichts mehr – dann gehen in der Branche auch die letzten Lichter aus.“ In Gelsenkirchen hat die Stadt mit ihrem alten und neuen Partner RWE zumindest die Gründung einer Extra-Grünstrom-Gesellschaft ausgehandelt. Es gibt nicht wenige, die sich sorgen, ob diese GmbH im Solarbereich überhaupt noch tätig werden kann. Angesichts der riesigen Chancen ein echter Jammer …

TOM JOST

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