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„Atmen“
Foto: Meyer Originals

Rollende Familienplanung

27. Mai 2016

„Atmen“ von Duncan Macmillan im Bauturm-Theater – Theater am Rhein 06/16

Aus dem Nebel tauchen Erscheinungen auf. Zwei Porzellanpuppen auf Rollerblades oder gar Cyborgs auf der Flucht vor dem Bladerunner? Es folgt der Tanz der Geschlechter mit barocken Perücken und Tutus über silbrigen Trainingsanzügen. Eine präzise, sichtlich anstrengende Choreografie auf der kleinen Bühne im Kölner Theater im Bauturm eröffnet den Parforceritt durch die Selbstbefindlichkeit zweier junger Menschen am Rande der vermeintlichen Ökokatastrophe. Das Stück heißt „Atmen“, ist vom britischen Dramatiker Duncan Macmillan. Grundsätzlich geht es um ein junges Paar, das sich nach langem Abwägen des Für und Wider doch dazu entscheidet, ein Kind zu bekommen. Das lange Für und Wider ist die eigentliche Antriebsfeder der Handlung. Klar, Macmillan thematisierte vor fünf Jahren auch den Klimawandel, den CO2-Verbrauch, die Überbevölkerung, das Gift im Essen, schwierig zu inszenieren bleibt der Dauerdialog allemal, zu schnell ist die Brisanz verbraucht, die Dynamik zwischen Euphorie und Ernüchterung ein Stillstand.

Catharina Fillers Rollschuh-Version im kleinen Theater mit den Schauspielern Nadja Duesterberg und Martin Krah steht da eher als Perfomance im leeren Raum. Ikea, Wohnung, Wald oder Gerätschaften zur Stromerzeugung wird man hier nicht finden. Dafür viel Bewegung, Kreise, das Aufprallen an der harten Wand. Der „richtige Moment“ zum Kinderkriegen erzeugt Panik, aber eben auch bekannte Paranoia. Deine Eltern, meine Eltern. Techno Break. Skate-Dance. Das berühmte Für und Wider. Sie: Ich könnte sieben Jahre lang jeden Tag nach New York und zurück fliegen, und mein CO2-Fußabdruck wäre immer noch nicht so groß, wie wenn ich ein Kind kriege. Geschenkt. Die Welt hält das aus. Es gibt Menschen, die sollten keine Kinder kriegen, die Beiläufigkeit dieser Idee, lässt immer noch schaudern, wenn es sich bei Macmillan auch um Kaugummi kauende Mütter handeln soll.

Und dennoch, der Sex leidet bei zu viel Diskussion, so intellektuell wie man sich das auch erklären kann. „Menschen machen leicht gemacht“, das ist keine heilige Handlung, da muss am besten was Animalisches verborgen sein. Weil sie gute Menschen sind. Break. Skate-Dance. Die Schwangerschaft ist da, die Perücken fallen, die Geschlechter wechseln den Körper. ER ist schwanger, übernimmt IHRE Dialoge. Fillers Regieidee verhindert gekonnt das serielle Einerlei der Tanzeinlagen, die Welt ist dennoch nicht mehr so ganz in Ordnung. Werdend heißt noch nicht sein, noch nicht Eltern, aber schon Schwangerschafts-Psychos. Die Welt gerät dabei ins Hintertreffen, Skaten ist auch nicht mehr so toll. Gerade Ögünc Kardelens Musikkompositionen halten die Dramaturgie am Leben. Kind. Gefahr. Tod. Das Stück springt durch die Zeiten. Das Paar aus seiner Zweisamkeit. Tutus aus, das Bewegungsrepertoire verringert sich. Man trifft sich nach Jahren. Das Kind wird endlich geboren, doch um welchen Preis. Nebel. „Weil wir gute Menschen sind.“

„Atmen“ | R: Catharina Fillers | Sa 28.5., Do 9.6., Fr 10.6., Sa 11.6. 20 Uhr , So 3.7. 18 Uhr | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42

PETER ORTMANN

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