Seit 2001 lenkt das von Kyra Scheurer, Nikolaj Nikitin und Oliver Baumgarten ins Leben gerufene Festival „Filmplus“ den Blick auf den Raum zwischen den Einstellungen. In den Sektionen Spielfilm, Dokumentarfilm und Kurzfilm konkurrieren je fünf Filme um die Preise für die beste Montageleistung. Außerdem wird ein Ehrenpreis verliehen, der in diesem Jahr an die Editorin Barbara von Weitershausen geht. choices sprach mit Oliver Baumgarten.
choices: Bei Filmplus sind nicht die Regisseure oder Darsteller im Mittelpunkt, im Fokus steht die Montage. Das ist ungewöhnlich. Was ist der Hintergrund für die Entstehung des Festivals?
Oliver Baumgarten: Wir haben uns schon immer für die Montage als jenen kreativen Prozess, der einen Film überhaupt erst filmisch werden lässt, interessiert. Als Drehbuch ist die Geschichte noch Literatur, es ist eine verschriftlichte Vorstellung einer Idee. Sie genau so in Ton und Bild umzusetzen, wie es sich die Autoren gedacht haben, ist unmöglich. Umgewandelt in das Medium Film wird die Geschichte in Form gedrehten Materials erst im Schneideraum. Erst hier montieren die Editoren eine Idee zu einem Film. Und dieser Vorgang ist nicht nur unglaublich kreativ, sondern auch hochspannend, weswegen er sich auch ganz hervorragend dazu eignet, Mittelpunkt eines Festivals zu sein.
Nicht nur visuell, auch thematisch lässt sich die Arbeit des Editors untersuchen. In diesem Jahr widmen Sie sich dem Thema „Schnitte ins Leben – Menschen montieren“. Welche speziellen Perspektiven und Fragestellungen tun sich beim Thema Montage von Menschen auf?
Gerade bei diesem Thema zeigt sich deutlich, wie groß eigentlich die Verantwortung von Filmeditoren Menschen gegenüber ist, die sich Bildmedien ausliefern. Das betrifft fiktionalisierte Bio-Pics ebenso wie Einzelpersonen porträtierende Dokumentarfilme: Dadurch, dass Filmeditoren aus vielen Stunden gedrehten Materials einzelne Bilder und Sequenzen zusammensetzen, obliegt ihnen auch die Verantwortung, die Figur oder den Protagonisten in Details zu charakterisieren. Man kann Menschen ja nur ausschnitthaft zeigen – aber welche Ausschnitte nimmt man in den Film und welche nicht? Wie sympathisch lässt man jemanden erscheinen? Nimmt man das gewinnende Lächeln rein oder stattdessen eher einen etwas lächerlich wirkenden Versprecher? Die Verantwortung der Filmeditoren ist diesbezüglich wirklich groß, und darüber wollen wir mit einigen Ausschnitten und mit erfahrenen Schnittmeistern reden.
Filmplus greift ein recht spezielles Filmthema auf. Sehen sie das Festival eher als Fachmeeting oder als Publikumsfestival?
Filmplus war immer beides und wird dies auch weiterhin sein. Für die Fachleute ist Filmplus fast der einzige regelmäßige Treffpunkt in Deutschland, um sich fachlich auszutauschen. Und für das Publikum stellen gerade diese speziellen Einsichten in den Schneideraum, von denen die Editoren zum Beispiel nach jedem Screening berichten, einen großen Gewinn dar. Zusammen mit „doxs! – dokumentarfilme für kinder und jugendliche“ veranstalten wir deshalb auch in diesem Jahr zum ersten Mal ein Schulfilmprogramm. Für uns steht fest, dass die Kenntnis über Mechanismen der Filmmontage einen wichtigen Schlüssel dazu darstellt, um die heute so dominante Bilderwelt besser einordnen zu können.
„Filmplus“ | Fr 24.10. - Mo 27.10. | Off Broadway, Filmforum NRW I www.filmplus.de
Das Programm:
Fr. 24.10.:
20:00: Der Stand der Dinge (Eröffnung, Hommage Barbara von Weitershausen, Filmforum)
Sa. 25.10.:
10:00: Schnee von gestern (OmU, OFF Broadway)
10:00: Tore tanzt (OFF Broadway)
12:30: Land in Sicht (OFF Broadway)
12:30: Das finstere Tal (OFF Broadway)
15:30: Nemez (Filmforum)
18:00: Zwischen Fakt und Fiktion - Themenpanel I (Filmforum)
19:00: Phantombild oder Personenkult - Themenpanel II (Filmforum)
21:00: Die Jagd (OmU, Filmforum)
So. 26.10.:
10:00: Vom Ordnen der Dinge (OFF Broadway)
10:00: Soldate Jeannette (OFF Broadway)
12:00: Master of the Universe (OFF Broadway)
12:00: Love Steaks (OFF Broadway)
14.30: Am Ende der Milchstraße (OFF Broadway)
14:30: Houston (OFF Broadway)
18:00: Werkstattgespräch Barbara von Weitershausen (Filmforum)
20:00: Nominierte Kurzfilme (Filmforum)
Mo. 27.10.:
09:00: Am Ende der Milchstraße (Schulvorführung, Filmforum)
10:00: Schnitt im autobiogragischen Dokumentarfilm - Themenpanel III (OFF Broadway)
12:00 u. 14.30: Werkstattgespräch (OFF Broadway)
16:30: Speed-Dating-Event für Regisseure, Produzenten und Editoren (Filmhaus)
20:00: Preisverleihung Schnitt-Preise (Filmforum)
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