Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
13 14 15 16 17 18 19
20 21 22 23 24 25 26

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Nothing Hurts“
Foto: Martin Miseré

Sowas von 1999

28. Januar 2016

„Nothing Hurts“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/16

Hinter einem Vorhang aus Kassettentape (Bühne: Franziska Harm) tobt das Partyvolk zum Diskogerummse. Immer wieder springt ein Feiernder heraus und schreit eine junge Frau an: „Kommst du jetzt bitte!“ Doch die bleibt lieber draußen und macht sich Gedanken über Nähe und Distanz, über ihren und andere Körper: „Sex wäre jetzt schön. Oder notwendig.“ Die Figuren in Falk Richters „Nothing Hurts“ – 1999 in Utrecht uraufgeführt – sind diese Jahrtausendwende-Typen, wie sie auch die Houellebecq-Romane bevölkern: narzisstisch erschöpfte Wesen, die sich aufreiben zwischen Zerstreuung, Konsum, Sex und Hedonismus. Während die Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit wie ein Damoklesschwert über allen Figuren hängt, ist ihr modus vivendi die Distanz: „Klar, du liebst mich. Aber das ist nur eine normale Liebe. So wie jeder liebt. Aber ich will was total Anderes.“ Der Ausbruch mündet in die paradoxe Liebeserklärung: „Also pack deinen Koffer und bleib hier!“ Letztendlich wird der Körper an der Bar geparkt oder auf die Tanzfläche gestellt – den Märkten der zwischenmenschlichen Möglichkeiten. Und wenn nichts geht, ist vielleicht wenigstens die Musik gut.

Der Distanziertheit der Figuren in Richters Dramoletten versucht Regisseurin Andrea Imler durch köperbetontes Spiel ihres großartig aufgelegten Ensembles (Lena Geyer, Stefko Hanushevsky, Jani Kuhnt, Henriette Nagel und Lou Strenger) beizukommen. Immer wieder liegen sie als Menschenhaufen auf dem Boden und ringen miteinander. Das ergibt eine Intensität, die nicht nur aufgrund der Enge in der Grotte nahegeht. Ein ebenfalls herrlicher Kontrapunkt zur Kälte in „Nothing Hurts“ ist die schräge Darbietung von Chris Isaaks „Wicked Game“ – mit Meerjungfrau, einem Beatboxenden Insekt in goldener Unterhose, einer Heulboje und großartig gesungen von Lou Strenger.

Dennoch, so richtig überzeugen können die 60 Minuten nicht. Das liegt am Stück und nicht an der Inszenierung oder den Schauspielern. Dieser postmoderne Tanz ums Goldene Kalb wahrer Gefühle und erfülltem Sex ist schal bis langweilig. Mit seinen 16 Jahren ist „Nothing Hurts“ womöglich einfach noch nicht alt genug, um wieder interessant sein zu können.

„Nothing Hurts“ | R: Andrea Imler | 19.2., 27.2., 1.3. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 221 284 00

Bernhard Krebs

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

September 5 - The Day Terror Went Live

Lesen Sie dazu auch:

Vererbte Traumata
Stück über das Thiaroye-Massaker am Schauspiel Köln – Prolog 12/24

Flucht auf die Titanic
„Muttertier“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/24

„Es wird ein Kampf um Vormachtstellung propagiert“
Rafael Sanchez inszeniert „Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Premiere 03/24

Parolen in Druckerschwärze
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24

Dunkle Faszination
Franz Kafkas „Der Prozess“ am Schauspiel Köln – Auftritt 02/24

Wiederholungsschleife
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/24

Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24

„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24

Ein Martyrium der Erniedrigung
„Kim Jiyoung, geboren 1982“ am Schauspiel Köln – Auftritt 12/23

Ohne Opfer kein Krimi
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Prolog 12/23

Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23

Verliebt, verlobt, verlassen?
„Erstmal für immer“ am Schauspiel Köln – Prolog 10/23

Theater am Rhein.

HINWEIS