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„Familiengeschichten. Belgrad“
Foto: Schauspiel Köln

Turbulentes Familien-Kleinklein

22. Juni 2016

„Familiengeschichten. Belgrad“ in der Grotte – Theater am Rhein 07/16

Es ist eine Binse, dass nichts ernster ist, als das Kinderspiel. In „Familiengeschichten. Belgrad“ spielen drei Kinder Vater-Mutter-Kind und erzählen dabei Geschichten von Gewalt, Verrat, Fremdenhass. Sie spiegeln den Mangel und das Misstrauen, das sie von ihren Eltern kennen, bilden Familien ohne Geborgenheit. Dass die Kinder von Erwachsenen dargestellt werden, die wiederum Erwachsene spielen, machen Reiz und Tiefe des Abends aus.

Beliebtestes Mittel ein Familienspiel zu beenden sind Mord und Totschlag. „Mein Stück Fleisch“, sagt Benjamin Höppner als Vater über seinen Sohn mit auf das T-Shirt geklebtem Brusthaartoupet, „also kann ich es auch umbringen.“ Den Sohn muss Justus Maier spielen, er ist halt der Jüngste. Und Mutti, gespielt von Annika Schilling, rührt derweil mit imaginärem Löffel in imaginärer Schüssel imaginäre Suppe. Die kleinen Racker kennen alle Familiengeschichten aus ihrer Heimatstadt Belgrad. Jener Stadt, die noch 1999 von der Nato bombardiert wurde, in der der Krieg Wunden im Stadtbild und in den Seelen der Bewohner hinterlassen hat, in der die große geostrategische Gewalt im Kleinklein der Familie reproduziert wird. Egal ob bei Arbeitslosen oder Akademikern.

Die Grotte, kleinste Spielstätte des Kölner Schauspiels, stellt sich mit dem Stück der serbischen Dramatikerin Biljana Srbljanović in einer kraftvollen und kompromisslosen Inszenierung von Charlotte Sprenger, einmal mehr als Juwel unter den Spielstätten dar. In der Enge des Containers erzeugen die einzelnen Familienepisoden eine unmittelbare Energie, der sich niemand entziehen kann. Es wird gekreischt und geklettert, Kissen lassen irgendwann ihre Federn und die Bühne von Thomas Garvie ist am Ende ein herrliches Durcheinander. Durcheinander gerät auch die Spielfamilie, als plötzlich ein fremdes Mädchen auftaucht. Eine Rolle für die Verschlossene ist auch schnell gefunden: Lou Zöllkau kläfft sich fortan als Hund durch den Abend und findet erst ganz am Ende zu ihrer Sprache zurück. Bis dahin wird gestorben und gemordet, gequält, erniedrigt und gedemütigt, dass es Freude und Grauen zugleich ist.

„Familiengeschichten. Belgrad“ | R: Charlotte Sprenger | Schauspiel Köln, Depot 1 | 25.6. u. 28.6. ausverkauft, keine weiteren Termine

Bernhard Krebs

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