So fix die profane Fotografie vom alternativlosen Schwarzweiß-Bild ins Technicolor-Universum wechselte, so lange dauerte es, bis das schlichte Monochrom die Popart fand. Obwohl – blicken wir in die jungpaläolithische Höhle von Lascaux, dann können wir schon dort sehen, dass farbige rötlichbraune Pigmente die eintönige Höhlenwand kontrastierten. Grau sei „die ideale Farbe“ behauptete Äonen später der Künstler-Gott des Kunstmarktes Gerhard Richter. Eine Welt ohne Farbe – unvorstellbar und doch, die Düsseldorfer Stiftung Museum Kunstpalast zeigt ab März die Ausstellung „Black & White. Von Dürer bis Eliasson“. Das Monochrom weicht dort allerdings eher einem furchtlosen Hell-Dunkel-Kontrast und natürlich dem zeitgenössischen Graugemisch in Fotografie und digitalem Medium.
Dabei ist das Schwarz-Weiß beileibe keine Erfindung der Postmoderne. Die ältesten noch erhaltenen Kunstwerke, die ausschließlich mit diesen zwei Farben operierten, wurden für die Andacht geschaffen oder hatten religiöse Funktionen, die keine Farbe benötigten. Nüchtern, würde man heute sagen, aber nicht einfallslos, wenn man das Grisaille-Glasfenster in der französischen Abtei Aubazine betrachtet. Ein wenig maurisch sieht das aus dem 12. Jahrhundert stammende Zisterzienser-Ornament aus, pflanzliche Muster beschreiben die Kirchenhistoriker. Ganze 80 Arbeiten aus einem Zeitraum von 700 Jahren werden in der grandiosen Ausstellung in Düsseldorf präsentiert und in neun Kapiteln eine überaus spannende Geschichte zweier Farben erzählt. Dass die Entwicklung der daraus resultierenden Möglichkeiten längst nicht abgeschlossen ist, zeigen die neuesten Werke zeitgenössischer Künstler.
Von der amerikanischen abstrakten Malerei, den europäischen Strömungen des ZERO und Informel bis in die zeitgenössischen Installationen reicht der inhaltliche Zeitstrahl auf dem die Besucher durch die Jahrhunderte geführt werden. Die beiden Installationen „Collector’s House“ von Hans Op de Beeck und „Room for One Colour“ von Olafur Eliasson bilden dabei eine Art Klammer, in der man sein eigenes Körpergefühl erforschen kann. In Op de Beeck erlebt man sich und seine Haut als intensiv farbig und wandert man weiter in den „Raum für eine Farbe“ wird alles an einem nur noch grau. So müssen sich Tagesschausprecher vor der Erfindung der Farbbildröhre gefühlt haben. Zu den ganz großen Highlights der Ausstellung zählen die Schwarz-Weiß-Version des berühmten Frauenaktes „Die große Odaliske“ von Ingres, das einzige bekannte Grisaille-Gemälde von Degas, „Ballettprobe auf der Bühne“, natürlich auch Richters „Helga Matura mit Verlobtem“ von 1966 sowie Rembrandts „Ecce Homo“ von 1634. Zu der Zeit hatten die Künstler längst die Druckgrafik als eigenständiges Medium erkannt und nutzten Stiche und Radierungen auch als Möglichkeit der Vervielfältigung. Sehr schön zu sehen bei Jan van Vliet, der die Rembrandt-Version von Christus vor Pilatus ein paar Jahre später als Radierung kopierte. Heute wäre das photomechanisch und schwarzweiß natürlich viel viel leichter, aber wer will das schon?
„Black & White. Von Dürer bis Eliasson“ | 22.3.-15.7. | Stiftung Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Menschen und Landschaft
Max Liebermann im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 04/22
Ein Magier mit der Kamera
„Untold Stories“ im Düsseldorfer Kunstpalast – Kunstwandel 03/20
Komödie des Lebens
Norbert Tadeusz in Düsseldorf – Kunst 10/19
Ein Fest dem Schleier
„Hinter dem Vorhang“ im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/16
Schumann-Saal lässt aufhorchen
Die Düsseldorfer Planer arbeiten am Puls der Zeit – Klassik am Rhein 10/16
Licht und Schatten
Zurbarán in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/15
Stille Orte
Wim Wenders im Museum Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/15
Einmal im Jahr
Die Große Kunstausstellung NRW – Kunst in NRW 03/15
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24
Niemals gleich
Roni Horn im Museum Ludwig – kunst & gut 07/24