Zwei Frauen: Beide tragen sie blaue Leggings, Spaghetti-Träger-Shirts und Ballerinas. In einer späten Lebensphase die Eine, dem Teenager-Alter eben entwachsen die Andere. 50 Jahre liegen zwischen ihnen. Hier das gelebte Leben, dem Körper eingeschrieben, dort die glatte Haut der Jugend. Betty Blaeser und Celina Rongen begegnen sich neugierig, fragend. Tastend ziehen sie die Gesichtszüge der jeweils Anderen nach, sind sich Spiegelbild und buchstäblich Projektionsfläche.
Vertauschungen, Symmetrien, Verschmelzungen sind die Formen, Nähe und Distanz zwischen den Generationen das Thema des Theaterprojekts „Spiegelungen“, das die Regisseurin Andrea Bleikamp in der Orangerie auf die Bühne gebracht hat. Bewusst arbeitet sie dabei mit Nicht-Profis, um ein Theater erlebbar zu machen, das die soziale Wirklichkeit protokolliert und möglichst authentisch wiedergibt.
Es sind die Herausforderungen des Alltags in einer älter werdenden Gesellschaft, die Andrea Bleikamp mit ihren Darstellerinnen erforscht. Und wie in der geometrischen Punktspiegelung eines Dreiecks, das Ausstatter Daniel Nunez- Adinolfi auf den Boden geklebt hat, reflektiert sich das Alter in der Jugend – und umgekehrt. Berichte der Darstellerinnen, denen eine Klangcollage (Timo Reuber) unterlegt ist, vermitteln Bruchstücke zweier Leben. Akustische Splitter, die sich bisweilen überschneiden: Unabhängigkeit, Familie, Einsamkeit. Drei Schlagworte, in denen sich Träume und Sehnsüchte generationenübergreifend bündeln.
Intelligent und unterhaltsam zugleich collagiert das Stück literarische, wissenschaftliche und journalistische Texte, angereichert mit Alltagswissen. Lebenskonzepte werden humorvoll erörtert und die Symbolkraft des Spiegels bemüht. Dies jedoch nie platt aufdringlich, sondern disziplinenübergreifend und vielschichtig.
Sei es die Video-Installation, die den Grundgedanken der Spiegelung klug kommentiert oder die von Barbara Fuchs choreografisch inszenierten Körper, die sich zu einem vierarmigen, alt-jungen Zwitterwesen verbinden. Andrea Bleikamp ist hier etwas sehr seltenes gelungen: Eine theatrale Soziologie der Lebensalter, die zum Nachdenken anregt.
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