Am Anfang steht der „Emporsteigende Jüngling“ (1915) von Wilhelm Lehmbruck, dahinter hängt Joseph Beuys´ „Mensch“ auf Tafellackschwarzer Pressspanplatte aus den späten 1960ern. Das Telefon mit den Anschlusskabeln übersieht man schnell, rund um die Ecke und der Raum öffnet sich in den anthroposophischen Kosmos ursprünglicher Prägung. Den Raum beherrschen die Devotionalien der „Honigpumpe am Arbeitsplatz“, die Beuys 1977 auf DER documenta 6 (Manfred Schneckenburger) aufgebaut hatte. Rauf und runter pumpte die (analoge!) Technik damals 150 kg Honig durch ein Schlauchsystem zwischen den Stockwerken im Fridericianum, daneben rotierte eine Kupferwelle auf 100 kg Margarine. Zu dieser (auch riechenden) Schönheit gehörte der Meister selbst, der dort besonders gerne mit konsternierten Besuchern diskutierte. Es war ein Fest der leidenschaftlichen Vermittlung von Kunst und Leben. Jetzt liegen die Mechaniken in der Bonner Bundeskunsthalle geruchslos als Installation, Beuys kommt vom Band, er selbst doziert überdimensional auf der Leinwand. Vorlesungsfetzen wehen durch den Raum: „von der Plastik zur sozialen Plastik“, „die Notwendigkeit der direkten Demokratie“… Plakate, Multiples, alles da, der Professor fehlt aber nach 35 Jahren immer noch, weltweite Aufmerksamkeit zum 100. Geburtstag, geschenkt.
Es ist alles da, der multiple Filzanzug, die dokumentierten 7000 Eichen von Kassel (sogar ein Baum samt Basaltstele im Atrium), das filzige Cello und an der Holzwand „Großer aufgesogener Liegender im Jenseits wollend Gestreckter“ von 1982. Man könnte es auch ein Liegestuhl mit Filzauflage nennen, es bleibt eines meiner späten Lieblingsobjekte, dazu noch die kleine bronzene „Badewanne für eine Heldin“ (1950/61/84) mit „antikem“ Tauchsieder. Das Highlight in Bonn ist das in Deutschland selten gezeigte „Voglio vedere le mie montagne“. „Ich möchte meine Berge sehen“, soll der Maler Giovanni Segantini (1858-1899) auf dem Sterbebett gesagt haben. Joseph Beuys hat 1971 dem Hochgebirgs-Pleinair-Meister seine Reverenz erwiesen und seine erste raumfüllende Installation mit Schrank, Bett, Gewehr und drei Kupferplatten geschaffen, die durch Kreideschrift in ihrer Bedeutung aufgeladen sind. Aber wieso da immer ein scheinbar leeres Einweckglas rumsteht? Findet es raus.
Beuys-Lehmbruck. Denken ist Plastik | bis 1.11. | Bundeskunsthalle, Bonn | 0228 917 10
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