Nun mal das Opernglas auf die Logenmauer! Was erwarten die Besucher:innen allen Ernstes von einer Ausstellung über die Oper? Musik via Kopfhörer oder Videoschnipsel herausragender Inszenierungen? Klar, alles da. Aber dennoch: Die visuelle Schau „Die Oper ist tot – es lebe die Oper!“ in der Bonner Bundeskunsthalle ist so viel mehr. Sie vermittelt auch so ein ganz bisschen das Gefühl, durch eines der großen Häuser zu flanieren, die es inzwischen weltweit gibt, wenn auch der Wahn eines Fitzcarraldo dabei nicht entsteht. Das opulente Singspiel war immer ein Tummelplatz der Reichen oder Schönen, früh machte der Wagner-Tempel Bayreuth dies klar, wenn heute auch viel gemeines Volk den Weg auf den Hügel findet darf.
In Bonn werden neben natürlichen, zeitgenössischen Analyse-Strömen zwischen Gender und Ökonomie aber auch der Mythos und die Vielschichtigkeit der Oper gefeiert. Sängerinnen und Sänger machen aus der Kunst oft auch ein medienwirksames Spektakel, wurden zu Idolen auf Leinwänden und das war schon lange so, bevor Volksempfänger direkt in die Wohnstuben sendeten.
Die Ausstellung liefert dazu ruhige, schön dekorierte Scheintheater-Räume zwischen Foyer, Rang und Parkett, die zu jeweils thematisch geordneten Sektionen führen. Ab und an ertönt der Gong, der in die Sitzreihen und Logen rufen will. Bemerkenswert sind die erhalten gebliebenen Bühnenbildmodelle aus dem 18. und 19. Jahrhundert und die vielen Gemälde, die sich mit der Thematik beschäftigen. Mächtige großformatige Szenen liefert da Hans Makart mit seinem Ringzyklus und den Genrestücken wie der „Walküre mit sterbendem Helden (vor 1883), interessant in einer Vitrine die ultralange Trompete zum Verleih an Opernhäuser für Aida-Aufführungen.
Was lernen wir beim Rundgang? Erfunden haben es die Italiener, Deutschland besitzt mit 84 Spielstätten aber die größte Dichte weltweit, was nicht unbedingt überall hohes Niveau erwarten lässt. Doch wie schon bemerkt, Oper rechnet sich, Oper ist Alleinstellungsmerkmal und Tourismusmagnet, siehe Pariser Oper, Mailänder Scala, die Wiener Hofoper oder gar die Met in New York. Sie alle buhlen um die besten Stimmen auf dem Planeten, dann brandet nach dem Vorhang der frenetische Jubel auf, in Bonn hört man den ab und an von einer Videowand, die den Blick von der Bühne in den leeren Zuschauerraum präsentiert, denn ohne Publikum wäre alles nichts.
Die Oper ist tot – es lebe die Oper! | bis 5.2.23 | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wunderkammer aus Spielzeug
Mark Dion in der Bundeskunsthalle Bonn
Ein Teil des „Wir“
Diskussion in der Bundeskunsthalle – Spezial 08/23
Arbeitsstreik und Lebensdichtung
„Her mit dem guten Leben!“ in der BKH Bonn – Spezial 0623
Welcome to the Shitshow
„Ernsthaft!?“ in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunstwandel 01/23
Bunt ist oft nicht unpolitisch
„Farbe ist Programm (Teil 1)“ in der BKH Bonn – Kunstwandel 06/22
Eine Ikone des Feminismus
Simone de Beauvoir-Ausstellung in der BKH Bonn – Kunstwandel 04/22
Im Rausch der Bilder
Bundeskunsthalle Bonn: „Methode Rainer Werner Fassbinder“ – Kunstwandel 11/21
Straßenbahnhaltestelle als Plastik
„Beuys-Lehmbruck“ in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 08/21
Dreireiher versus Jogginghose
Dress Code in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 07/21
In Zeitlupe durch brennende Wälder
Julius von Bismarck in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 10/20
Immer gegen Konventionen
Zeitreise der Doppelbegabungen in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 08/20
Ausbeutung für die Verschwendung
„Wir Kapitalisten“ in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 06/20
„Was ist ,analoger‘ als der menschliche Körper?“
Kuratorin Elke Kania über „Zeit-Bilder.“ im Aachener Kunsthaus NRW Kornelimünster – Interview 01/25
Mehr als Bilder an der Wand
„Museum der Museen“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/24
Vorgarten der Unendlichkeit
Drei Ausstellungen zwischen Mensch und All – Galerie 12/24
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24