Am Anfang war das Nichts. Dann erschufen die Götter das rote Sprachlichtband. Von da an sah man die im Licht, die im Dunklen sah man nicht. Und die düstere Welt dauerte an, sie gehörte ganz den sprechenden Leuchtdioden, die Texte ausspie, die in den Gehirnwindungen Töne erzeugten, sich zu Liedern von einem Haifisch und einem Messer verbanden, die Bilder erzeugten, die man zwar nicht sah, aber doch irgendwie kannte. Das Dunkel hielt an, quälende Minuten verstrichen, doch dann begann „Die Dreigroschenoper“, die Schauspieler wurden sichtbar, doch das Spruchband blieb. Nicolas Stemann hat im Kölner Schauspielhaus seine ungewöhnliche Brecht-Version aus Hannover (2002) wieder zum Leben erweckt.
Die Schauspieler sind da noch nicht ganz lebendig, dankbar für die rot leuchtende Soufflage, lesen ihre Texte gekonnt ab, scheinen nicht ganz ins Spiel der Bettleroper hineinzufinden, diskutieren Brechts Regieanweisungen, wechseln sich in den Rollen ab, schieben sie sich zu. Keiner drängt sich ins Licht. Ist die Dunkelheit etwa erstrebenswerter? Das Konzept wirkt auf den ersten Blick konfus wie das Leben, in dem sich die Parteien arrangieren. Hier die Gauner und korrupten Polizisten, dort die „ehrenwerten“ Bettler des Jonathan Jeremiah Peachum, organisiert und ausgebildet, mit einstudierter Armseligkeit Geld zu verdienen. Es sind die radikalen Fragen, die Brecht damals stellte und die heute längst zu Phrasen verkommen, einer gleichmacherischen Bilderflut Platz gemacht haben und dennoch nie beantwortet wurden. Noch immer sieht man die Dunkeln nicht, doch ihre Zahl hat sich vervielfältigt wie die Akteure, die bei Stemann dieselbe Rolle spielen. Auch in Köln spielen diese plastischen Bilder eine hervorragende Rolle, doch sie sind eingewoben in eine verwaschene Bühne, in der Sachiko Hara als weißgekleidete Serviererin die Drinks an der Bar serviert und großartig den „Haifisch-Song“ nachliefert.
Nach der Pause folgt dann die zeitgenössische Sozialkritik mit dem Vorschlaghammer. Eine große Leuchttafel mit dem Bild eines verhungernden Jungen malträtiert die Zuschauer. Anja Laïs verteilt dazu Tafeln für die Bettler-Demo, auf denen die bekanntesten "Dreigroschenoper"-Zitate stehen. Dabei ist auch eine, die den Erhalt des Kölner Theaters fordert – das ist nett, bringt aber irgendwie nicht weiter. "Die Verhältnisse, sie sind nicht so." Denn die Schlussfolgerungen, die Änderungen herbeiführen würden, sind auf dem Theater zwar präsent, bleiben aber wirkungslos. Stemanns Kunstgriff ist sehenswert und ein überaus interessanter Regie-Ansatz. Macki Messer wird gefasst, kommt auf den elektrischen Stuhl und wird über das Bühnenbild gezogen, hier hängt er dann, bis mal wieder der rettende Reiter erscheint und den Bösewicht begnadigt, der sterbende Junge ist da beiseite geräumt, die Leuchtdioden übernehmen die Handlung. Alles ist so wie die Verhältnisse es hergeben. Jetzt erst wäre Zeit für das Schiff mit acht Segeln und mit 50 Kanonen und die Jagd auf die politischen Verursacher. Und wenn dann der Kopf fiele, würde ich sagen: Hoppla.
„Die Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill I R: Nicolas Stemanns I Schauspiel Köln I Fr 13.5., Do 19.5., je 19.30 Uhr I 0221 22 12 84 00
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