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Filmstill aus den Videosequenzen von "Brennen"
Foto: André Lehnert

Wovor Diktatoren Angst haben

14. November 2022

„Brennen“ im Bunker K101 – Prolog 11/22

„Wir wollen zeigen, welches Potenzial Kunst haben kann“, so Regisseur André Lehnert vom disdance project. Die neue Inszenierung, der von ihm und Paula Scherf gegründeten Theaterkompanie, entstand aus dem persönlichen Kontakt zu Esin Eraydin und widmet sich ihren Unterdrückungserfahrungen. Die Schauspielerin und Intendantin des Istanbuler Artiist Fikir Sanat Theaters wurde in der Türkei mehrmals verhaftet, da sie Widerstand gegen Erdogans Repressionen leistete. Schließlich wurde ihr Theater geschlossen und sie musste das Land verlassen. Nun steht sie wieder auf der Bühne. In „Brennen“ hinterfragt sie, warum Diktatoren so viel Angst vor Kunst haben. Lehnert hat ebenfalls einen persönlichen Bezug zu dem Thema: „Ich komme selbst aus der DDR. In Diktaturen und Autokratien muss zwischen den Zeilen gearbeitet, sodass man noch der Zensur entgeht, aber trotzdem für jeden verständliche Aussagen vermitteln kann. Das ist die große Gabe von Kunst“.

Die ständige Überwachungssituation, die Eraydin während ihrer Gefängnisaufenthalte erfahren musste, greift er im Stück anhand einer Live-Kamera auf, über die die Schauspielerin mit dem Diktator kommuniziert. Der Austausch bleibt jedoch einseitig – Lehnert spricht daher auch von einem „Monodialog“. Eraydin konfrontiert in diesen Gesprächen jedoch nicht nur Erdogan. Vielmehr greift das Stück Texte verschiedenster Antikriegs- und Freiheitsautor:innen wie Ernst Toller oder Wolfgang Borchert auf, die sich auch auf die Weimarer Republik oder Putins Machtregime beziehen. „Gerade jetzt, wo die Macht der Diktaturen und Autokratien ja weltweit zunimmt, gibt es einen Druck das, was gerade passiert, an die Öffentlichkeit zu bringen“, erklärt Lehnert. Der Bunker K101 wurde dabei bewusst als Spielstätte der Inszenierung gewählt. Einst stand an seinem Platz die Ehrenfelder Synagoge, die jedoch im Jahr 1938 bei den Novemberprognomen zerstört wurde. Der an ihrer Stelle erbaute Bunker wirkt wie ein Gefängnis – und zwingt dazu, sich an die historischen Verbrechen zu erinnern.

Die Entwicklung des Stücks schnitt Lehnert auf diese besondere Spielstätte zu. So projiziert er etwa auf verschiedene Flächen des Bunkers Videos, in denen Paula Scherf tanzt. Als Alter Ego von Eraydin agiert sie als dramaturgische Figur, die Emotionen abstrahiert und körperlich ausdrückt. Dies solle auch die Schwere des Themas erleichtern, denn Betroffenheitstheater mache das disdance project nicht, sagt Lehnert. Vielmehr wolle er politisieren und dabei den Blick über Köln hinaus richten, denn: „Es gibt kein Recht wegzugucken, diesen Luxus haben wir nicht mehr“.

Brennen | 16. (P), 18., 19., 20., 23., 24., 25., 26., 27.11. | Bunker K101 | 0221 16 90 93 79

Franziska Nagel

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