Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 1
2 3 4 5 6 7 8

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Ariel Schlesinger, Installationsansicht Kunst-Station Sankt Peter Köln 2021/22, © Künstler
Fotos: Christopher Clem Franken, courtesy Sankt Peter Köln^

Reichtum der Symbole

10. Februar 2022

Ariel Schlesinger in der Kunst-Station Sankt Peter – kunst & gut 02/22

Wenig passiert im Halbdunkel des Kirchenschiffes, aber wenn man lange und konzentriert innehält, ist das sehr viel und bereichernd. Auf dem Boden befindet sich eine technische Apparatur, karg und funktional mit ihren parallel gespannten elektrischen Drähten. Der Bereich der Hochspannung ist abgezäunt, man hört eine Entzündung und ein Knarzen und sieht anschließend eine Seifenblase, die Gas in sich trägt und von der Empore nach unten schwebt. Das eine Mal landet sie daneben, dann aber trifft sie auf den Drähten auf: Mit einem Knall und für einen Moment bildet sich in der Luft eine Feuerzunge.

Wir denken an den Magier, in dessen Handfläche eine Flamme auflodert; an die tanzende Kontur des „Hausgeistes“ im Gemälde von Max Ernst. Natürlich, der 1980 in Jerusalem geborene, heute in Berlin und New York lebende Ariel Schlesinger streift unweigerlich Assoziationen, die auf den Holocaust weisen. Hier, in einer Kirche, ist dies umso plausibler, bleibt aber nur eine von vielen Konnotationen. Dafür ist das Geschehen zu poetisch, spielt zu sehr mit Zufall, Zulassen und einem fast menschlichen Zug im Gelingen und Scheitern. Und schließlich gehört Feuer zu den Sujets, die Schlesinger in seiner künstlerischen Praxis kontinuierlich hinzuzieht. Er baut Maschinen, die alltägliche Gegenstände aufeinandertreffen lassen und einen plötzlichen Umschlag von der spielerischen Stimmung in Bedrohung und Gefahr vollziehen. In seinen konzeptuellen Arbeiten, die im Umgang mit den Gesetzen der Natur und ihrer Elemente skulptural gelöst und minimalistisch umgesetzt sind, verwendet er etwa Feuerzeuge, deren Flammen sich vereinen. Oder er zeigt einen Fahrradreifen, aus dessen Ventil Gas strömt. Oder zwei Bögen Papier, die sich gegenläufig auf Scheiben drehen und mit jeder Umdrehung so kollidieren, dass sie sich kurz aneinander aufrichten. Eine surreale Erotik lässt sich in solchen Konfrontationen entdecken: Sie werden zu vieldeutigen Gleichnissen.


Foto: Christopher Clem Franken, courtesy Sankt Peter Köln

Ariel Schlesinger, der bereits 2011 im Kunstverein Braunschweig ausgestellt hat und inzwischen weltweit gefragt ist, wurde hierzulande mit seiner riesigen Skulptur vor dem jüdischen Museum in Frankfurt bekannt. Zwei Baumstämme aus Aluminiumguss ragen übereinander auf, das Geäst der Kronen ineinander verhakt, so dass der obere Baum wie eine Spiegelung des unteren wirkt. Sie beschreiben Gesten des Haltens, Himmel und Erde sind ebenso angesprochen wie, an diesem besonderen Standort, das Motiv der Verbundenheit und Entwurzelung mit der biblischen Metapher des Baumes als Verbindung von Gott zum Volk Israel. Ariel Schlesinger berichtet im Gespräch, dass er lange gesucht habe, bis er den passenden Baum gefunden hatte und an Ort und Stelle vorsichtig die Gussform abnehmen konnte. Die gleiche Sensibilität und Feinheit kennzeichnet nun die „Bubble Machine“ in Sankt Peter. Eröffnet in der Weihnachtszeit als Beitrag zur Erinnerung an 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland, bleibt sie offen für eigene Erfahrungen, physische Beobachtungen und psychische Empfindungen: für „Übungen der Achtsamkeit“, wie im Faltblatt steht, und als Ausstellung kuratiert von Kai Kullen.

Ariel Schlesinger: Bubble Machine | bis 23.2. | Kunst-Station Sankt Peter Köln | 0221 921 30 30

Thomas Hirsch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24

Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24

Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24

Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24

Unser Körper in Schichten
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln

Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24

Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24

Suche nach Menschlichkeit
Burkhard Mönnich in der Galerie Martinetz – Kunst 05/24

Steigen, Verweilen, Niedersinken
Nadine Schemmann mit zwei Ausstellungen in Köln – Kunstwandel 05/24

Das Verbot, sich zu regen
„Es ist untersagt ...“ von Frank Überall im Gulliver – Kunstwandel 04/24

Makroproteste in der Mikrowelt
Agii Gosse in der Galerie Landmann-31 – Kunstwandel 03/24

Expansion in die Löwengasse
Kunstraum Grevy eröffnet Pop-Up-Store „Grevy Satellite“ – Kunst 02/24

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!