Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
28 29 30 1 2 3 4
5 6 7 8 9 10 11

12.601 Beiträge zu
3.825 Filmen im Forum

Bald nur noch Fiktion: die unberührte Natur
Foto: Amélie Kai

Danke Aal, danke Gurke

27. November 2014

Stücke zur Klimakatastrophe und ihrer Verhinderung – Prolog 12/14

Die Weltklimakonferenzen und die dazu gehörigen Sachstandsberichte kommen mit schöner Regelmäßigkeit. 2015 ist es in Paris wieder soweit, und man kann sicher sein, dass das Eindrücklichste wieder das Schachern um die erlaubten Emissionen sein wird. Dabei lässt der neueste Weltklimabericht, der gerade in Kopenhagen verabschiedet wurde, keinen Zweifel: Erderwärmung, Treibhausgase, Übersäuerung der Ozeane, steigender Meeresspiegel, alles hand-, sprich: menschengemacht. So deutlich und mit Zahlen zuhauf unterfüttert war kein Bericht zuvor – und auch so eindeutig in der Aussage. Ob es etwas nützt, darf bezweifelt werden. Natürlich sitzen die Bösen allesamt in den Schwellenländern und die Guten in den Industrienationen, besonders im ökoversessenen Deutschland. Dabei würden schon zwei Grad weniger helfen! Da muss doch was zu machen sein.

Benjamin Lauterbach weiß sogar, wie. In seinem Stück „Der Chinese“, das am Theater im Bauturm herauskommt, haben die Deutschen das Ökoparadies, naja eigentlich eine Ökodiktatur, schon erschaffen. „Wollt ihr den totalen Öko?“, lautete die einfache Frage. Da haben die Deutschen einfach mal wieder „Ja“ gesagt und auf alles verzichtet, was mit Freiheit zu haben könnte. Rauchen ist genauso verboten wie Trinken, Smartphones sind out, Kunststoff sowieso, an allen Ecken und Ende nachhaltigt es kräftig. Die Gebete bei Tisch singen nicht mehr das Lobpreis Gottes, sondern lauten „Danke Aal. Danke Makrele. Danke Krebse. Danke Gurke.“Und nun kommt Herr Ting aus dem verzweifelten China zu Besuch in eine typisch deutsche Musterfamilie, um sich ein Bild vom deutschen Garten Eden zu machen und bringt natürlich alles aus dem Gleichgewicht.

Zum deutschen Ökowahn gehört unbedingt auch die Liebe zu Tieren. Liebe? Eher Vergottung inklusive Charta der unveräußerlichen Tierrechte. Angela Richter hatte am Schauspiel Köln einen neue Produktion „Liebe deine Tiere wie dich selbst“ auf der Basis von Interviews, Gesprächen und Recherchen geplant – daraus wird leider nichts. Sehr gerne hätten wir den tierischen Wahnsinn in Originaldokumenten verfolgt, aber wir müssen uns bis zur nächsten Spielzeit gedulden. Wenn schon nicht das Klima, können wir dann wenigstens den deutschen Goldhamster retten?

Wenn der Niedergang also klar ist, bleibt nur noch eins: die Party. In Bonn hat Anfang Oktober der Kongress „Save the World“ stattgefunden, mit dabei der Regisseur Patrick Wengenroth, der jetzt zum Tanz auf dem Vulkan einlädt. „Die letzten hundert Jahre der Menschheit“, so ist seine philosophische Endzeit-Revue am Theater Bonn betitelt. Und wie immer, wenn die Lage aussichtslos erscheint, fällt der Blick zurück auf die Zeit, als alles angefangen hat, mit dem Klima und so. Mentale Selbstgeißelungen gehen einher mit philosophischem Delirium und Querfeldeinjagden in der Popschonung. Auch der Niedergang hat schließlich etwas Erhabenes. Man muss auch den Verfall feiern können, es könnte schließlich der letzte sein – und am Ende wirklich alles gut werden.

„Die letzten hundert Jahre der Menschheit“ | R: Patrick Wengenroth | Theater Bonn | 8.2.(P) 19.30 Uhr |0228 77 80 08

„Der Chinese “ | R: Rüdiger Pape | Theater im Bauturm | 11.4.(P) 20 Uhr | 0221 52 42 42

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Thunderbolts

Lesen Sie dazu auch:

Opulent und introvertiert
„Vespertine“ am Theater Bonn

Spiegelbild der Wutbürger
„Kohlhaas (Can‘t Get No Satisfaction)“ am Schauspiel Bad Godesberg – Auftritt 03/25

Ein Flasche Romantik, bitte!
„Der Liebestrank“ am Theater Bonn

Endsieg für Ödipus
Elfriede Jelineks „Am Königsweg / Endsieg“ in Bonn – Prolog 01/25

Ausweg im Schlaf
„Der Nabel der Welt“ in Köln – Theater am Rhein 01/25

Im Land der Täter
„Fremd“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 12/24

Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24

Den Schmerz besiegen
„Treibgut des Erinnerns“ in Bonn – Theater am Rhein 07/24

„Wir können nicht immer nur schweigen!“
Jens Groß inszeniert Heinrich Bölls Roman „Frauen vor Flusslandschaft“ am Theater Bonn – Premiere 06/24

Geschlossene Gesellschaft
„Flight“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 01/24

Mörderische Gesellschaftsstruktur
Georg Büchners „Woyzeck“ am Bonner Schauspiel – Auftritt 01/24

Der unfassbare Gott
Oper Bonn zeigt Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ – Oper in NRW 12/23

Bühne.

HINWEIS