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„The Black Rider“
Foto: Thilo Beu

Das Forstamt des singenden Bösen

20. Dezember 2012

Matthias Kaschig inszeniert interessanten „The Black Rider“ in Bad Godesberg – Theater am Rhein 01/13

Sechse treffen, sieben äffen. Selbst 22 Jahre nach der Uraufführung in Hamburg füllt die Geschichte um den Schreiber Wilhelm, der in die hübsche Förstertochter Käthchen verliebt ist, Theaterreihen. Egal, dass der Vater lieber den Jägerburschen Robert als künftigen Gatten sähe, denn nur, wer beim sogenannten „Probeschuss“ nicht fehlt, gewinnt der Jungfer Hand. Bekannt. Na klar. Der Freischütz. Der heißt bei Robert Wilson „The Black Rider“, ist keine Oper, sondern Musical. Die US-amerikanische Sicht auf die deutsche Romantik arbeiteten damals Tom Waits und der betagte Avantgarde-Kult-Pop-Beat-Autor William S. Burroughs auf. Der Dauerbrenner an deutschen Theatern ist jetzt in Bad Godesberg zu sehen, und das in einer überzeugenden Inszenierung mit einer tollen Band und Schauspielern, die größtenteils auch singen können.

Schon das Bühnenbild lässt ahnen, dass nicht mehr viel von deutschem Waldgetöse übrig bleiben wird. Regisseur Matthias Kaschig setzt eher auf die Kühle eines Amtshauses, das vorsätzlich ziemlich atmosphärefrei eher einem bayrischen Rathaus-Flur ähnelt. Ein riesiges Einschussloch dominiert die Rückwand. Es wird Zielscheibe sein, ein Nest für die Band „The Magic Bullets“ und auch visuelle Zeitmaschine für Kuno, den alten Recken, der damals diesen tollen Schuss abgab, der Hirsch und angebundenen Frevler trennte; klar, der Wilderer verschwand, das Tier blieb auf der Strecke. Normal. Aber sein Geweih geistert noch durch die Inszenierung.

Die immer noch dürftige Sagen-Handlung beginnt an der Theke, der genial üble Teufelsschleimer (Hendrik Richter) macht erst noch den Conférencier für eine Show, die eigentlich bei Kaschig gar nicht mehr stattfinden wird. Es wird verhandelt auf dem ollen Flur, doch der Hinkefuß zieht sichtbar die Fäden, so augenscheinlich, dass die Protagonisten zwar wie Marionetten über die Bühne gezerrt werden, aber der großartige Hendrik Richter erledigt das wenigstens immer hochgradig nonchalant. Auch die anderen Figuren setzen sich deutlich von vergangenen Inszenierungen ab, köstlich Konstantin Lindhorst als Jägerbursche Robert, wenn er zum ersten Mal auftritt und seine Vorzüge in stilisiertem Martial Arts-Slapstick zum Besten gibt. Den Vater (Günter Alt) freut’s, die junge Jungfer (Anastasia Gubareva) haut es eher aus den Socken.

Stelzfuß rüstet derweil den Stubenhengst Wilhelm (Arne Lenk) auf. Mit Freikugeln trifft der plötzlich wie im Schlaf. Das darauf folgende übliche Dauergeballer wie unter Drogen findet bei Kaschig als Wilhelm Tell-Adaption auf die Band statt, die alle einen Apfel auf dem Kopf tragen. Dass der Wahnsinnige William S. Burroughs (1914-1997) so auch 1951 in Mexiko mit besoffenem Kopf seine Frau niedergemäht hat, sei nur am Rande erwähnt, war aber für den Regie-Einfall sicher ursächlich. Anschließend ballert Wilhelm noch den Wald leer, totes Wild im ganzen Haus, jubelt Käthchen und nascht schon mal blutverschmiert am Kadaver. Ein Indiz fürs Ende. Denn die siebte Kugel trifft sonst nicht den Jäger, sondern sie. Verblutend im Hochzeitskleid stolpert sie in den Tod.„The last rose of summer is gone.“

„The Black Rider“ | So, 13.1. 18 Uhr | Kammerspiele Bad Godesberg | 0228 77 80 08 22

PETER ORTMANN

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