Man muss genau hinhören. Manchmal dauert es etwas länger, ehe das Klacken – das eine Mal leise, das andere Mal dröhnend – und mitunter eine Stimme zu hören ist, begleitet von etwas steifen Bewegungen. Der Mechanismus setzt sich ruckelnd in Gang. Und wenn sich doch nichts tut? Sollte man näher kommen, drumherum laufen, noch mal genau schauen? Den Dialog zum Betrachter nehmen alle Skulpturen von Andreas Fischer auf, ausgestattet mit feinen Antennen und Drähten, die an die zitternden Fühler von Insekten erinnern oder dem Rohrstock des Schulmeisters ähneln und so die jeweilige Sprachbotschaft unterstützen. Zu sehen sind Kästen mit Öffnungen, aus denen ein Stab ragt, oder unverkleidete technische Konstruktionen, manchmal noch auf Gestellen. Die Anmutung dieser Skulpturen schwankt zwischen Almhütte, heimischem Herd und Camp an der Kriegsfront. Eigentlich sind es richtig blöde Texte, die von einer Männerstimme aufgesagt werden, oft erinnern sie an die Ansprache an ein Kind. Sie tragen etwas Dadaistisches, enthalten eine Botschaft, die nicht weiterhilft, oder sie formulieren eine Erwartung, die aber nicht eingelöst wird und sich unendlich wiederholt. „Zeig sie uns doch mal, deine Zähnchen“. Oder: „Gleich kommt das Vögelchen. Es muss ja kommen. Ich bin mir ganz sicher. Es war ja gestern schon mal da.“ Synchron dazu bewegen sich Metallstücke und Holzstäbe an Drähten wie Marionetten. Solche Arbeiten führen allmähliche Verzweiflung und enttäuschte Erwartung vor Augen, auch wenn es nur das Vögelchen ist, das einfach nicht kommen mag und den Redner geradezu rasend macht.
Im Untergeschoss des Museum Ludwig sind etliche dieser Apparaturen ausgestellt, als veritable Werkschau für Andreas Fischer, der schon seit einigen Jahren in der Sammlung des Museum Ludwig vertreten ist und vor zwei Jahren auch im Bonner Kunstverein ausgestellt hat. Jede seiner Arbeiten hält ein neues Erlebnis bereit, welches unser Verhältnis zur Technik befragt und vielleicht an die Metamaschinen im Umfeld von ZERO, GRAV und den Nouveau Réalistes der 1960er und 1970er Jahre denken lässt, im lapidar Rohen der Baumaterialien und im Einbezug von Akustik aber doch etwas ganz anderes ist.
A good Deal
Andreas Fischer, der 1972 geboren wurde, bei Georg Herold an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert hat und heute durch die Galerie von Vera Gliem vertreten wird, baut Maschinen mit vernutzten Fundstücken und oft simpler Technik, die etwas Beiläufiges haben, die nichts verbergen und ihre Schaltvorrichtungen und Kabel offenlegen als Teil der Skulptur. Sie beschreiben Handlungsabläufe als Loop, auch mit Varianten, weil der Zufall hineinspielen darf, etwa indem im Ruckelnden eine Verbindung nicht immer sofort einhakt und erst noch eine Schleife dreht. Mitunter sind die Handlungen ausgesprochen lakonisch, knapp, und neben das offensichtlich Sinnlose, darin Nervende tritt etwas Rührendes. Da ist das weiße Stück Stoff, das an einer Drahtkonstruktion in ungelenkem Hin und Her wie eine Fahne wedelt und genau den Titel trägt: „Flagge, die versucht eine 8 zu winken“ (2008).
Die Maschinen von Andreas Fischer, die ja respektable Skulpturen sind mit der Eignung zur Rauminstallation, berichten hinter ihrer vordergründigen Erzählung von den
menschlichen Befähigungen, ja, sie verhalten sich wie einzelne Menschen, sind in Rollen eingefangen, können nicht aus ihrer Haut, sind ungeduldig und scheitern abermals. Sie haben ihre Unzulänglichkeiten, man sieht es ihnen, von Hand gebastelt, ja schon von weitem an. Sie sind Synonyme dafür, wie wir uns verhalten, und verkörpern dabei unterschiedliche Charaktere. Selbst wenn sie schnittig daherkommen, kennzeichnet sie doch eine gewisse Hilflosigkeit und Beschränktheit. Supermaschinen sind dies ja gerade nicht.
Im Look vergangener Zeiten
Am deutlichsten wird das vielleicht bei einer neuen Arbeit, „A good Deal“ (2012), die in einem Raum mit drei Kino-Sitzen erhaben an der Wand präsentiert ist. Ein beiger Ledersessel hängt kopfüber. Unten ist an ihm ein altmodischer Ventilator befestigt, der von einem Stück Aluminiumfolie beschirmt ist, welches sich im Gebläse aufrichtet. Oben am Stuhl ist eine Neonröhre montiert, deren Licht auf der Folie reflektiert. Alles ist in Unruhe, einzelne Teile fahren aus, seitlich hämmert im Rhythmus zur Sprache ein Stab, der Ventilator dreht sich in verschiedene Richtungen, als würde er sein Publikum fixieren. Atmosphärisch dichter Sound ist zu hören. Er schwellt an und steigert die Dramaturgie, die mit den Bewegungen und der schneidigen Stimme einhergeht. Auf amerikanischem Englisch hören wir einen suggestiven Vortrag wie beim militärischen Drill, beim Hypnotiseur im Varieté oder beim Motivationstrainer. „We will transform your fears of us into the capability of loving us – I think, that’s a good deal“ ist die Botschaft, die mit zunehmender Lautstärke und Lichtregie wie ein Befehl vorgetragen wird: Die theatralische Inszenierung wird zur persönlichen Ansprache, man fühlt sich dem Coach in seiner massigen Präsenz ausgeliefert. Wie beeinflussbar sind wir und wie sehr geht das Ganze doch an unsere Psyche? Großes Kino!
Thomas Hirsch
„Andreas Fischer. Your time is my Rolex – Maschinen“ | bis 31.3. | Museum Ludwig | www.museum-ludwig.de
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