choices: Frau Thiersch, Herr Erlen, Globalize Cologne fand bisher an vier Terminen im Jahr statt. Warum ändern Sie das jetzt?
André Erlen: Da wir keinen eigenen Spielort in Köln haben und die Spielstätten nicht komplett ausgestattet sind, mussten wir für jedes Wochenende die Technik neu anmieten. Außerdem hat die Presse schon beim zweiten Block gesagt: Wir können euch nicht schon wieder als Aufmacher platzieren. Die Erfahrung zeigt, dass der Seriencharakter eines Festivals zu Mehrkosten bei Werbung und Technik führt.
Was ist mit dem Gerücht, dass das Festival nur noch alle zwei Jahre stattfindet?
Erlen: Das ist noch nicht entschieden. Nach diesem Festival gehen wir in Klausur und werden dann mit neuen Ideen rauskommen. Wir wollen am jährlichen Rhythmus festhalten, können uns aber vorstellen, in einem Jahr das große Programm und im nächsten nur kleine Formate und Konferenzen stattfinden zu lassen. Es ist jedenfalls unmöglich, auf Dauer eine Förderung in der jetzigen Größenordnung zu bekommen, das gräbt den Ensembles das Wasser ab. Die Kunststiftung fördert dann entweder das Festival oder die Gruppen.
Mit dem starken Tanzschwerpunkt hat sich das Programm aber jetzt schon verändert.
Stephanie Thiersch: Endlich! Bei uns hat sich jetzt durch unser Netzwerk ergeben, dass wir die Produktion von Erna Omarsdottir aus Island einladen können. Ich kenne die Choreografin schon seit Jahren. Jetzt hat sie eine Gruppenproduktion gemacht, die unterhaltsam, laut, tiefgründig, melancholisch ist und eine ganz eigene Sprache hat. Die beiden Choreographen Clint Lutes und Tommy Noonan mit „Brother Brother“ habe ich in Montpellier kennengelernt. Es ist eine berührende, unkomplizierte und sehr persönliche Arbeit über das Mimikrythema, um das es auch in unserem Stück „As if“ geht. Das ist ein richtiger Glücksfall. Rosi Ulrich wiederum hat in der letzten Zeit häufig mit der Choreographin Yui Kawaguchi aus Japan gearbeitet, darüber kamen Kontakte zu einem anderen japanischen Choreographen. Letztlich gibt es bei unserer Plattform Freihandelszone keine starre Trennung zwischen Performance und Tanztheater. Wir haben die Fühler in alle Richtungen ausgestreckt, oft sind drei oder vier Compagnien oder Theatergruppen in der Auswahl, dabei spielt dann auch eine Rolle, wer Zeit hat, ob man finanziell zusammenkommt.
Erlen: Natürlich schieben wir uns die Infos zu, wer sich für welche Gruppe gerade interessiert. Es ist aber auch klar, dass nicht vier Stücke aus der Schweiz ausgewählt werden. Es kann aber schon sein, dass vier große Produktionen ohne Text kommen, weil uns das gerade alle begeistert. Wir von Futur 3 haben die belgische Gruppe Abattoir fermé eingeladen, weil uns das fasziniert, und haben dadurch das Privileg, die Leute intensiver kennenzulernen.
Wir verortet sich Globalize Cologne im Reigen der Kölner Festivals des Freien Theaters?
Thiersch: Ein ganz wichtiger Punkt ist die Internationalität der Gastspiele, und zweitens, dass wir aus Künstlersicht das Programm kuratieren. Das bleibt etwas Besonderes und grenzt uns von Festivals wie Impulse oder theaterszene europa in der Studiobühne ab. Im Tanz gibt es nichts außer den Gastspielen im Schauspielhaus und der Oper, kleine Formate haben keine Chance. Im Bereich Tanz besetzen wir eine Leerstelle.
Was war der Grund, im früheren Kino Ufa-Filmpalast zu spielen?
Erlen: Wir haben auch mit der Comedia geredet, es nimmt sich aber finanziell nichts, ob wir dort spielen oder den alten Ufa-Filmpalast neu ausstatten, in dem für Theater nichts vorhanden ist. Es wird eine Bühne reingebaut, der große Saal hat dann noch vierhundert Plätze, es wird eine Bar geben. Mit dem Kino gehen wir volles Risiko und sind zugleich unser eigener Herr. Es ist alles ein bisschen größenwahnsinnig, aber auch der Versuch, die Freie Szene groß zu präsentieren. Das soll auch ein Signal sein. Um den Ufa-Filmpalast wird derzeit gerungen. Die Stadt will, dass das ein Kulturort bleibt, und da kann man ein paar Visionen entwickeln. Gerade wurde das Schauspielhaus gerettet, ein Bau von Walter Riphahn wie übrigens auch der Ufa-Filmpalast, auch wenn man dies nicht mehr so richtig sieht.
Thiersch: Wichtig war für uns die Konzentration an einem Ort. Außerdem hat das Kino sehr viele Räume, wir können den großen Saal mit Theater bespielen, ein kleines Stück in einem kleinen Raum zeigen, wir können parallel ein Filmprogramm machen und ganz oben noch ein kleines Konzert. Parallelität ist ein Thema gewesen, dann Zentralität, endlich freies Theater am Rudolfplatz, mitten im Herzen von Köln.
Hat das Raumangebot im Ufa auch für den großen Konzertschwerpunkt gesorgt?
Thiersch: Wir haben engen Kontakt zu den Programmmachern im King Georg. Sie haben für uns ein Programm zusammengestellt, das zum Festival passt – es heißt WEEK-END und findet am ersten Dezemberwochenende statt. Zusätzlich gibt es im Rahmenprogramm Konzerte, mit u.a. Bassem Hawar und Andersen/Coyne/Hansonis.
Bisher hatte das Festival immer wieder neue Gruppen oder Genres entdeckt. Plasma ist jetzt allerdings schon zum dritten Mal zu Gast – ein Dauerabonnent?
Erlen: Jörg Fürst vom A.TONAL.THEATER ist jemand, dem eine kontinuierliche, intensive Auseinandersetzung sehr wichtig ist. Globalize soll nicht unbedingt eine Plattform sein, bei der jedes Jahr alles neu sein muss. Man kann auch beobachten, wie sich die Gruppen über all die Jahre entwickeln – ohne dass die Gruppe deswegen einen Persilschein hätte. Hinzu kam, dass Plasma und A.TONAL gerade an Stücken zum Thema Glauben arbeiten. Außerdem spielt Andreas Spaniol sowohl bei Jörg Fürst als auch bei Plasma.
Thiersch: Wir denken nicht marktstrategisch, sondern nehmen uns die Freiheit, das zu kuratieren, was für uns richtig ist. Unser Eröffnungsgast Erna Omarsdottir ist allerdings hip (lacht), sie gastiert auch auf Kampnagel in Hamburg und im HAU in Berlin, ist aber vorher bei uns. Eine deutsche Erstaufführung! Und dann ist Island auch noch Thema der Buchmesse.
„Globalize Cologne“ | Ufa-Filmpalast | 10.11. bis 17.12. | Karten: 0221 985 45 23 | freihandelszone.org/globalizecologne-2011
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