Ein Ehepaar trifft sich neun Jahre nach der Trennung wieder. Das Grab des gemeinsamen Kindes muss umgebettet werden, weil „Gift“ im Boden des Friedhofs gefunden wurde. Nach all den Jahren sind beide noch verletzbar wie am ersten Tag nach dem Unglück. Das Nationaltheater Gent kommt mit diesem Stück von Lot Vekemans nach Köln in die Halle Kalk. Schon einmal – vor drei Jahren – präsentierte das NT Gent mit „Schwester von“ einen fulminanten Text von Lot Vekemans. Damals spielte Elsie de Brauw Ismene, die vergessene Schwester von Antigone, in einem mitreißenden Monolog.
Diesmal sieht man sie an der Seite von Steven van Watermeulen, ihm durften wir noch vor ein paar Wochen in Becketts „Das letzte Band“ beim Kampf mit den schmerzhaften Erinnerungen zuschauen. Wieder füllen die beiden mit ihren Persönlichkeiten die Bühne, sie sind es, die für Regisseur Johan Simons den dramatischen Bogen schlagen, den das Stück im Grunde nicht besitzt. Lange beschäftigt Lot Vekemans das Paar mit Nebensächlichkeiten, die den Konflikt nicht voran bringen. Schnell geraten die beiden miteinander in Streit, der ohnmächtige Zorn der Trauer, lässt das Gift erahnen, dass die Beziehung zerstört hat. Das Kind ist von einem unachtsamen Autofahrer getötet worden. Für die Gefühle dagegen, die sich angestaut haben, gibt es keine Worte, oder besser gesagt, die Worte bleiben stumpfe, unpräzise Werkzeuge, die mit ihrem Gebrauch Wunden schlagen, die gar nicht beabsichtigt sind.
Die Trauer ist das Thema des Stücks. Kann man richtig oder falsch trauern, wann ist Trauer pathetisch, trauern wir nicht mehr um uns, als um den verlorenen Mensch? Ist die Trauer nicht Ausdruck der Befürchtung, auch ohne den geliebten Menschen weiterleben zu können, so dass die Trauer einen demonstrativen Gestus erhält, der gleich einer Selbstbestrafung funktioniert? In diesem Teufelskreis scheint die Frau gefangen, während der Mann durch ein unerwartetes Ereignis aus ihm herausgefunden hat. Die Kunst hat ihm eine neue Perspektive auf das Leben eröffnet. Dieser Dreh am Ende des Dialogs gibt dem Stück eine Glaubwürdigkeit, die es zuvor über weite Strecken nicht herzustellen vermochte. Letztlich hebt die Inszenierung dann doch ab und die Umarmung der beiden ist kein Klischee, sondern eine mit Emotion getränkte Geste. Das NT Gent ist halt immer für eine Überraschung gut.
"Gift" von Lot Vekemans I R: Johan Simons I Schauspiel Köln (Halle Kalk)
Sa 4.6. 20 Uhr I 0221 22 12 84 00 I www.schauspielkoeln.de
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