Für diese Ausstellung gibt es viele Gründe und Hintergründe. Das Graphische Kabinett des Wallraf-Richartz-Museums zeigt einen Einblick in seine Sammlung, die 75.000 Blätter seit dem Mittelalter umfasst – hier komprimiert auf einige Dutzend Arbeiten auf Papier, die in den letzten drei Jahren als Erwerbungen oder Schenkungen hinzu gekommen sind. Vorgestellt werden unterschiedliche Epochen sowie graphische Verfahren. Werke berühmter Künstler sind ebenso zu sehen wie die von Künstlern, die primär in Fachkreisen bekannt sind. Da finden sich Ideenskizzen (Peter Paul Rubens) und Entwürfe für die spätere Malerei sowie Varianten einer Studie zu einem Motiv. Ebenso sind zwei unterschiedliche Techniken mit einer identischen Darstellung zu sehen. Und schließlich gibt es in der Ausstellung auch den Fall, dass ein Künstler (Max Liebermann) noch die Rückseite eines Blattes für eine Vorzeichnung genutzt hat.
Ein Anlass für diese Präsentation ist das 150-jährige Bestehen des Wallraf-Richartz-Museums. Das Museum stellt mit ihr auch seine wissenschaftliche Aktivität vor: Dazu gehören neben attraktiven Wechselausstellungen das Sammeln und die konservatorische Pflege der Werke, ebenso wie deren Vermittlung in Präsentationen. Die eigene Sammlung ist ohnehin Fundament für alles andere, und sie wäre ohne Schenkungen und Stiftungen nicht denkbar – gerade im Wallraf-Richartz-Museum ist dies Ausdruck eines bürgerschaftlichen Gemeinsinns. So hat Ferdinand Franz Wallraf 1818 seinen Kunstbestand der Stadt Köln vermacht, mit allein schon 23.000 Kupferstichen: Dies war der Ausgangspunkt für die städtischen Kunstsammlungen. Seit einiger Zeit erweitert die Impressionisten-Sammlung des Schweizer Ehepaares Gérard und Marisol Corboud den Museumsbestand als Dauerleihgabe. Und vor ein paar Monaten hat das Wallraf-Richartz-Museum ein Gemälde von Claude Monet („Frühlingsstimmung bei Vétheuil“) übereignet bekommen – eine sensationelle Schenkung aus (anonymem) Privatbesitz.
Das Rückgrat jedes Museums aber ist die Graphische Sammlung mit ihren Seitenwegen in den unterschiedlichen Medien: Sie wirkt wie ein Gedächtnis des Museums, der Kunst.
Von der Graphik zur Fotografie
Dies trifft natürlich auch auf das Museum Ludwig zu. Dieses Museum, das sich der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts zuwendet, verfügt zudem über eine Fotografische Sammlung. Auf dem Weg zur „Neuen Galerie für die Fotografie“ passiert man einen Raum, der Selbstinszenierung und Starkult in der zeitgenössischen Kunst thematisiert (etwa mit Jürgen Klauke, Cindy Sherman und Louise Lawler). Er funktioniert wie ein weiterführendes Intro zur aktuellen Ausstellung der Fotografischen Sammlung. Unter dem Titel „Sternstunden des Glamour“ werden Lichtbilder aus dem frühen 20. Jahrhundert gezeigt, die aus dem Besitz von L. Fritz Gruber (1908-2005) kommen. Gruber war Gründer und Leiter der photokina-Bilderschauen in Köln und Vermittler für die Fotografie als Kunst, etwa mit dem Buch, „Große Photographen des 20. Jahrhunderts“ (1964). Folglich wundert die Qualität der Ausstellung nicht. Horst P. Horst, Cecil Beaton, Richard Avedon oder Irwin Penn gehören zur ersten Garde der Mode- und Porträtfotografen, die mit dem Aufkommen illustrierter Zeitschriften und der gesellschaftlichen Aufwertung des Filmstars ein eigenes Betätigungsfeld erhielten. Ihre Aufnahmen sind meisterlich arrangiert, zwischen überwältigender Schönheit und Geheimnis. Die abgelichteten Persönlichkeiten wirken wie in Stein gemeißelt, von einer klassischen Schönheit, verbunden mit raffinierten Licht- und Gestaltungseffekten.
Angesprochen ist das Wechselverhältnis von Fotografie und publizistischer Veröffentlichung. Dem geht nun eine eigene Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum nach, anhand von Büchern, die sich um Köln drehen,. Die Ausstellung „Köln und seine Fotobücher“ umfasst den Zeitraum von 1853 bis heute und ist wesentlich von Werner Schäfke, von 1984 bis 2009 Direktor des Stadtmuseums, konzipiert worden. Sie spricht den Wandel der Stile und Techniken in der Fotografie wie auch in der Bücherproduktion an und lotet diese zwischen angewandter, von Design geprägter Präsentation und freier Kunst aus. Dazu betont sie die Rolle von Buch und Fotografie als Archiv und Potential, die – so klein auch das Format, so „billig“ die Mittel – schon den großen Wurf enthält: Auch das hat diese Schau mit den Ausstellungen im Wallraf-Richartz-Museum und im Museum Ludwig gemeinsam.
Aus der Graphischen Sammlung: Neuerwerbungen und Schenkungen
bis 24.4. im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
www.wallraf.museum
Sternstunden des Glamour – Meisterwerke aus der Fotografischen Sammlung
bis 4.9. im Museum Ludwig
www.museum-ludwig.de
Köln und seine Fotobücher
bis 8.5. im Kölnischen Stadtmuseum
www.museenkoeln.de
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