Mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft und den Krisen des Spätkapitalismus wird auch der Begriff der Arbeit neu diskutiert und, wie in dem gerade gehypten Manifest „Der kommende Aufstand“, auch mal radikal verabschiedet. „Sich organisieren, um nie wieder arbeiten zu müssen“, wird dort als Ziel formuliert. Wenn das Freie Werkstatt Theater sich dem Nichtstun widmet, könnte es also aktueller nicht sein. Die Bühne gleicht einer Oase der Entspannung. In Sonnenstuhl, Hängematte, Matratze und Sessel schnarchen die Schauspieler Hagen Range, Bernd Rehse und Susanne Kubelka in Schlafanzügen um die Wette. Regina Welz hat dafür nur einen ironischen Exkurs über Faultiere übrig, bringt dann aber doch ihre Kollegen mit knalligen Ordnungsrufen auf Trab. Wer von Muße oder Faulheit reden will, kommt ohne die Arbeit als Kontrastfolie nicht aus. Regisseur und Textmonteur Roland Bertschi lässt Luigi Nonos „La fabricca illuminata“ anspielen, eine Komposition für Stimme und Tonband über die Mühen der Fabrikarbeit, die einen Blick zurück in die gute (oder schlechte) alte Zeit der Industriegesellschaft wirft.
Hagen Range als Unternehmensberater berät Bernd Rehse auf absurde Weise in Sachen Fischerei. Durch effizientere Arbeit könne der Fischer die gewonnene Zeit in der Hängematte verbringen – was der aber sowieso schon tut. Effizienz erwirtschaftet also temporären Mehrwert ohne Sinn. Für Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt sorgt dann Regina Welz als weiblicher Ryan Bingham mit einer Einführung in erfolgreiche Kündigungsgespräche. Ein Schweizer Imker entlarvt den Bienenfleiß als Mär: Die faulen Winterbienen arbeiten strikt nach Bedarf. Das wird durchaus mit viel Charme und Spielwitz aufbereitet, manchmal auch knapp an der Charge vorbei. Dann wird auf der Schlafanzugparty das Lob der Faulheit gesungen. Friedrich Schlegels Roman „Lucinde“ beschreibt die Faulheit als „einziges Fragment von Gottähnlichkeit, das uns vom Paradiese blieb“, und Gontscharows Roman „Oblomow“ zieht gegen das bürgerliche Arbeitsethos zu Felde. Doch angesichts so viel bürgerlichen Feinsinns wünscht man sich dann doch etwas mehr zupackenden Gegenwartssinn, der auch die politischen Zusammenhänge des Nichtstuns nicht unterschlägt.
„Vom Nichtstun“
R: Roland Bertschi
Freies Werkstatt Theater
18., 19., 20., 21. Mai, jeweils 20 Uhr; 22. Mai, 18 Uhr
19. Juni, 18 Uhr; 23., 24., 25. Juni, jeweils 20 Uhr
Karten: 0221 32 78 17
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