Eine gefesselte Frau mit nacktem Oberkörper und Stahlhelm umschlingt die Stränge, die sie an einem Bündel himmelblauer Luftballons mit Friedenstaube und den Sternen der Europäischen Union tragen. Am Helm sind Blumen befestigt. Es ist nicht erkennbar, ob der Mensch steigt oder stürzt. Der Mund ist geöffnet. Der Blick ist abwärts gerichtet. Aus dem linken Auge fließt Blut. „Tears of Blood“ heißt das neue Werk von Digital-Art-Künstlerin Flaca, mit dem Sie ihre Gefühle über den Krieg in der Ukraine ausdrückt. In einer Benefiz-Aktion versteigerte die Kölnerin das großformatige Unikat für 1111,11 Euro und bietet darüber hinaus 200 signierte Drucke zum Verkauf an. Sämtliche Erlöse gehen an den Verein TMR Flüchtlingshilfe Ukraine Berlin e.V., der sich mit Güter- und Personentransporten für die Kriegsopfer einsetzt. Im choices-Interview berichtet die 47-Jährige über die Entstehung des Bildes.
choices: Flaca, ich möchte mit einer vielleicht provokanten Frage starten: Kommt man als Künstler an der Thematik Ukraine vorbei oder anders gefragt, wäre es unmoralisch, dazu nichts zu produzieren?
Flaca: Ich weiß, was Sie meinen. Natürlich greifen viele Leute, nicht nur aus der Kunstbranche, dieses Thema auf, und man wird überall damit konfrontiert. Das finde ich auch richtig, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Ich habe mich jedoch nicht darauf eingelassen, weil man es von mir vielleicht erwartet, sondern, weil ich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr anders konnte. Ich musste meinen Gefühlen dazu einen Ausdruck geben. Ich wollte aber zuerst kein Bild dazu machen.
Was hat Sie zum Umdenken bewegt?
Ich dachte, nun kommen wir gerade mit Corona etwas besser klar, da wartet schon eine neue furchtbare Krise. Ich habe selbst Bekannte in der Ukraine, wollte aber zu keinem Zeitpunkt mit dem Leid anderer Geld verdienen. Es war klar, dass alle Einnahmen einem guten Zweck dienen sollten. Zu den Opfern im Krieg gehören auch immer Frauen und Kinder. Diesen Menschen muss man sofort helfen.
Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihr Bild „Tears of Blood“.
Nun, ich denke, es erklärt sich von selbst. Man sieht die gefesselte Frau. Luftballons tragen sie in die Sicherheit oder auch nicht. Wenn nur einer der Ballons platzt, ist es zu Ende.
Wie reagiert die Öffentlichkeit auf das Werk?
Das Bild hing während der „Kunstroute Ehrenfeld“ für mehrere Tage im Bunker K101. Bisher liegen wir mit der Auktion bei 650 Euro (Stand: 6. Mai). Ich hoffe, dass es ein vierstelliger Betrag wird. Zusätzlich gibt es 200 nummerierte Poster in DIN A1, die für 50 Euro pro Stück gekauft werden können. Davon sind bereits 20 Stück weggegangen. Alle Einnahmen sind für die Ukraine-Hilfe bestimmt.
Ihre Kreation ist an eine Bondage-Serie angelehnt.
Ja, da gibt es bereits einige Arbeiten von mir. Das Bild ist eine digitale Collage, übertragen auf einen sehr dünnen Stoff. Man kann darauf alle Feinheiten erkennen. Ich kooperiere seit Jahren mit einer Firma, die auf diese Drucke spezialisiert ist.
Wie lange haben Sie an der Umsetzung der Idee gearbeitet?
Eine Woche. Ich konnte mich lange nicht entscheiden, ob die Figur weinen sollte, aber es war unausweichlich.
Hat der Krieg in der Ukraine, abseits der dadurch ausgelösten Emotionen, auch akute Auswirkungen für Sie als Künstlerin, zum Beispiel durch Preissteigerungen für Materialien?
Nein. Das war bisher nicht der Fall. Viele Künstler hatten durch die Corona-Pandemie Existenzsorgen, weil sie nicht auftreten oder ausstellen konnten. Jetzt spürt man jedoch, dass die Leute wieder Lust auf den Besuch von Veranstaltungen haben. Das habe ich gerade auf der Discovery Art Fair Cologne erlebt.
Wie war dort die Resonanz auf Ihre Arbeiten?
Sehr gut. Ich erinnere mich an ein Pärchen, das Köln noch als Trümmerfeld nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Sie konnten sich sofort mit „Tears of Blood“ identifizieren.
Was sind Ihre Pläne für die nächsten Monate?
Ich habe ein neues Projekt, „Women in Revolt“. Damit bin ich bis Ende des Jahres in Deutschland und auch im Ausland unterwegs.
Wird es eine Fortsetzung der Spendenaktion geben?
Auf jeden Fall lassen wir Poster nachdrucken, solange es dafür Anfragen gibt und sammeln damit weiterhin Geld für die Flüchtlinge.
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