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Der Fotoraum in Köln-Lindenthal
Foto: Bernadette Jansen

Großartige Entdeckungen am Nierentisch

16. Mai 2017

Der Fotoraum Köln, ein ungewöhnlicher Ausstellungsort – Kulturporträt 05/17

Die bunte Waschmittel-Trommel von Dash steht im Fenster des kleinen Ladengeschäfts in der Herderstraße. Hier, wo einst ein Sonnenstudio residierte und zuvor über Jahrzehnte eine Schusterwerkstatt für die Anwohner im Stadtteil Köln-Lindenthal eingerichtet war, existiert seit 15 Jahren der Fotoraum. Die Dash-Trommel auf dem Podest stellt so etwas wie eine Reliquie dar, denn in ihr wurden die Fotografien von Christel Schulmeyer gefunden. Ein Selbstporträt zeigt die zum Verlieben schöne Fotolaborantin im Jahre 1950 im Arbeitskittel. Zwischen 1947 und 1950 fotografierte sie mit einer kleinen Voigtländer-Kamera alle Einwohner ihres Dorfes Eil, das später im Südosten von Köln eingemeindet wurde.


Christel Schulmeyer im Arbeitskittel (Selbstporträt), Foto: Christel Schulmeyer/Fotoraum

Die Bilder entstanden im Hof einer Schmiede und besitzen eine verblüffende Klarheit. Die Porträtierten stehen entweder vor einer Wand, die wunderbare Grauwerte spendet, oder wir sehen quadratische Industriefenster im Hintergrund, die den Aufnahmen Tiefe verleihen. Es ist unverkennbar, dass die Menschen der Fotografin vertrauen, bereitwillig liefern sie sich ihrem Kamerablick aus. Entstanden ist ein beeindruckendes soziales Panorama, das von den Kindern bis zu den Senioren alle Generationen des Dorfes in den Jahren vor der Gründung der Bundesrepublik dokumentiert.

Gehoben wurde der Schatz von Heribert Schulmeyer und der Künstlerin Barbara Räderscheidt. Unter dem Titel „Im Nahbereich“ zeigt ihn jetzt der Fotoraum Köln. Christel Schulmeyer starb im Februar dieses Jahres 90-jährig, so dass sie die Ausstellung nicht mehr miterleben durfte. Umso größer das Verdienst dieser kleinen Initiative von Enthusiasten – genau genommen sechs Personen, die sich die Miete für den Laden teilen – deren Konzept Bereiche der Fotografie zugänglich macht, die sonst dem Vergessen anheimgegeben wären. „Ich bin voll süchtig nach Bildern“, bekennt denn auch Rosanna D‘Ortona, die gerade ihre freie Zeit opfert, um die Besucher einzulassen und die anliegenden Rechnungen zu bearbeiten. Tatsächlich spürt man die Energie, mit der der vor kurzem gegründete gleichnamige Verein diesen romantischen Ort betreibt. Die Vitalität des Unternehmens spiegeln auch die musikalischen Events, bei denen Gastkünstler von Pop bis Volksmusik eine Attraktion zur jeweiligen Ausstellung bieten.

Stilistisch ist der Fotoraum breit aufgestellt. Noch im Frühjahr präsentierte Paula Winkler ihre Porträts nackter Männer unter dem Titel „Exceptional Encounters“. Köstlich humorvolle Bilder zeitgenössischer Selbstdarstellung, die durchaus provokantes Potenzial besitzen, wie Rosanna D‘Ortona schmunzelnd erzählt, tatsächlich gab es pikierte Reaktionen aus der Nachbarschaft. Für den Sommer hat man sich hingegen der Landschaftsfotografie verschrieben. Der Franzose Aymeric Fouquez zeigt ab dem 23. Juni seine Aufnahmen französischer und belgischer Friedhöfe aus dem Ersten Weltkrieg, die er als Kind durch die Spaziergänge mit der Großmutter lieben gelernt hat, ohne von ihrer historischen Bedeutung zu wissen. Fotografien, vor denen man lange verweilt, weil es so viel zu sehen gibt. Und wer einmal auf den Sesseln aus den 50er Jahren um den kleinen Nierentisch gesessen hat, will immer wieder in den kleinen Laden kommen, um Entdeckungen im weiten Feld der zeitgenössischen Fotografie zu machen.

„Christel Schulmeyer – Im Nahbereich“ | bis 28.5., So 14-18 Uhr | Fotoraum Köln | Herderstr. 88, Köln-Lindenthal | www.fotoraum-koeln.de

Thomas Linden

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