M wie Money. Fest umklammert Papa Harpagon den blauen Buchstaben aus dem Wort HOME, das in großen Lettern auf der Bühne im Theater der Keller steht. Geld ist ihm sein Lebensinhalt, sein Sohn Cléanthe nennt ihn deshalb einen Kotzbrocken und hätte doch so gern sein Stück vom Kuchen. Den Konflikt zwischen Vater und Sohn verarbeitete Molière 1668 zu einer seiner erfolgreichsten Komödien und nannte sie: „Der Geizige“. Der in Köln lebende medienscheue, nie sein Gesicht zeigende Musiker und Autor PeterLicht hat den Stoff im letzten Jahr in die Gegenwart geholt. Passend zur Nachrichtenlage und der immer noch prekären wirtschaftlichen Situation des Theaters der Keller wurde mit PeterLichts „Familiengemälde“ (so der Untertitel) folgerichtig die neue Spielzeit eröffnet.
In den eher handlungsarmen Szenen wird geplappert, theoretisiert und Kommunikation ad absurdum geführt. Und natürlich: kritisiert. Die Gesellschaft. Der weltweite Kapitalismus. Die Unübersichtlichkeit der Verhältnisse. Die Sprache. So redet Harpagons präpotenter Sohn in grammatikalisch fragwürdigen Sätzen: „Ich so augenroll: nerv“. Überdies ist PeterLicht ein wenig verliebt in den Buchstaben „i“: Geizi, Pflegipflegi, Vergessi.
Regisseurin und Theaterchefin PiaMaria Gehle nimmt diese Sprechblasen-Rhetorik beim Wort und inszeniert den Abend als Comic. Häusliche Szenen werden knallig skizziert: Ein Tisch soll gedeckt, der Müll entsorgt werden. Lustige Musik, die an Kinderfernsehen denken lässt, untermalt ironische Schnappschüsse fürs Familienalbum. Irgendwo zwischen der „Sendung mit der Maus“ und einer Attac-Kundgebung für intellektuell zart Begabte wird eine Soziologie des Geldes entworfen. Im Zentrum: „Harpi“ und sein Blick auf die Unzumutbarkeiten der Welt. Richard Hucke beeindruckt mit muskulösem Oberkörper und kommt in seinem roten Satinmorgenrock recht proper rüber. Obschon ein Pfennigfuchser par excellence wirkt dieser Geizige sympathischer als seine sozialneidische Mischpoke. Seine Tiraden über Reinheit, Sparzwang und das in einer Zahnpastatube versteckte Glück sind in den besten Fällen Kabarettnummern – nur leider schmerzfrei und ohne Nebenwirkungen.
Der Geizige | R: PiaMaria Gehle | Theater der Keller |
9./15./16.10., 18 Uhr, 11./14.10., 20 Uhr | 0221 31 80 59
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